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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit
Autoren: Christian Jacq
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der Ramses ihn betraut hatte, und sich damit jeglicher Verpflichtung gegenüber dem König von Ägypten entledigt. Aber er hatte nicht das Recht, den Freund zu verraten. Deshalb hatte er sich geschworen, ihn vor der drohenden Gefahr zu warnen. Sobald sein Gewissen entlastet war, würde er vollkommen frei sein.
    Dem königlichen Boten zufolge sollten der Pharao und seine Gemahlin um die Mittagsstunde des nächsten Tages in Pi-Ramses eintreffen. Die Bevölkerung der umliegenden Städte und Dörfer war herbeigeströmt, um sich das große Ereignis nicht entgehen zu lassen. Die völlig überforderten Sicherheitskräfte vermochten der Neugierigen nicht mehr Herr zu werden.
    Moses hoffte, seine letzten Stunden als Oberaufseher über die Baustätten außerhalb der Stadt verbringen und sich ein wenig auf dem Land ergehen zu können. Doch genau in dem Augenblick, da er Pi-Ramses verlassen wollte, eilte ein Baumeister auf ihn zu.
    «Der Koloß… der Koloß ist außer Rand und Band geraten!»
    «Der vor dem Tempel des Amun?»
    «Wir schaffen es nicht mehr, ihn aufzuhalten.»
    «Ich hatte euch befohlen, ihn nicht anzurühren.»
    «Wir wollten…»
    Wie ein Sturmwind jagte Moses’ Wagen durch die Stadt.
    Vor dem Amun-Tempel herrschte helle Aufregung. Eine Riesenstatue, die den König auf seinem Thron sitzend darstellte und so schwer war wie mehrere tausend Scheffel Getreide, glitt langsam auf die Fassade des Bauwerks zu. Sie drohte entweder die Wand zu durchbrechen und unermeßlichen Schaden anzurichten oder umzustürzen und zu bersten. Welch ein Schauspiel würde sich Ramses da am Tage der Einweihung bieten!
    Etwa fünfzig Männer zerrten verzweifelt, doch vergebens an den Stricken, mit denen der Koloß auf einem hölzernen Schlitten festgezurrt war. Mehrere untergelegte Lederstücke, die verhindern sollten, daß die Stricke am Stein scheuerten, waren bereits zerrissen.
    «Was ist denn geschehen?» fragte Moses.
    «Ein Mann ist auf die Statue geklettert. Da hat sie sich in Bewegung gesetzt, und er ist heruntergefallen. Damit er nicht zerquetscht wird, haben die Arbeiter die hölzernen Bremsen betätigt. Darauf ist der Koloß aus der Bahn geraten und hat den feuchten Schlamm, über den er an seinen Platz gezogen werden sollte, verlassen und rutscht jetzt immer weiter. Der Boden ist noch naß vom Tau, und der Schlitten ist feucht…»
    «Wir brauchen mindestens einhundertfünfzig Männer!»
    «Die meisten sind woanders beschäftigt…»
    «Bringt mir Krüge voll Milch!»
    «Wie viele?»
    «Tausende! Und holt augenblicklich Verstärkung!»
    Durch Moses’ Anwesenheit beruhigt, schöpften die Arbeiter wieder Hoffnung, als sie den jungen Hebräer den Steinriesen erklimmen und auf dem granitenen Schurz des Pharaos stehen sahen, von wo aus er die Milch vor den Schlitten schüttete, um ihn in eine neue Bahn zu lenken. Sie bildeten eine Kette, damit es ihm nicht an der fettigen Flüssigkeit mangelte, auf der die gewaltige Statue weiterrutschte. Den Anweisungen des Hebräers gehorchend, befestigten die ersten der eilends herbeigerufenen Treidler lange Stricke an den Seiten und am hinteren Ende des Schlittens. An ihnen zerrten schließlich an die hundert Männer, um die Bewegung des Kolosses zu verlangsamen.
    Nach und nach änderte er seine Bahn und glitt in die gewünschte Richtung.
    «Den Bremsbalken!» rief Moses.
    Dreißig Männer, die bis dahin wie betäubt herumgestanden hatten, schleppten den schweren, mit Einkerbungen versehenen Balken, der den Schlitten bremsen sollte, genau an die Stelle vor dem Tempel, an der Ramses’ Statue künftig stehen sollte.
    Sachte rutschte der Koloß auf dem mit Milch getränkten Boden vorwärts, wurde im rechten Augenblick gebremst und blieb genau an der richtigen Stelle stehen.
    Schweißgebadet sprang Moses herunter. So wütend, wie er war, machte sich jeder auf schwere Strafen gefaßt.
    «Man bringe mir den Schuldigen, den Mann, der von der Statue gefallen ist!»
    «Hier ist er.»
    Zwei Arbeiter stießen Abner vor sich her, der vor Moses auf die Knie sank.
    «Vergib mir», jammerte er. «Mir ist übel geworden, ich habe…»
    «Bist du nicht Ziegelmacher?»
    «Doch… Mein Name ist Abner.»
    «Was hattest du dann hier zu suchen?»
    «Ich… ich wollte mich verstecken.»
    «Hast du den Verstand verloren?»
    «Du mußt mir glauben!»
    Abner war Hebräer. Moses konnte ihn nicht bestrafen, ehe er nicht seine Erklärungen angehört hatte. Er begriff aber auch, daß der völlig verstörte Ziegelmacher
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