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Der Tanz des Maori (epub)

Titel: Der Tanz des Maori (epub)
Autoren: Emma Temple
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passieren? Wenn sie Pech hatte, dann würde sie eben ein paar Stunden im Auto gesessen und ihren Schlaf geopfert haben. Ein kurzer Besuch bei Ruiha war dann sicher trotzdem noch drin – und womöglich hatte die alte Frau sogar eingesehen, dass sie der Wahrheit nicht mehr im Weg stehen durfte. Sie musste doch eigentlich einem Treffen und einer Versöhnung mit Ewan entgegenfiebern.
    Im besten Fall würde Sina Hakopa und Brandon vor Hakopas Hütte beim Grillen erwischen, die beiden hätten sich längst ausgesprochen, und sie würden einen gemütlichen Abend miteinander verbringen. Egal, wie sie es drehte und wendete: Brandon war es ganz sicher wert, ein paar Kilometer extra zu fahren …
    Sina stand lächelnd auf, griff sich noch eine Handvoll CDs aus dem Regal und machte sich auf den Weg. Der Abend war noch jung, wenn sie Glück hatte, war sie noch vor Mitternacht bei Hakopa. Und vor allem bei Brandon.
    Ein paar Stunden später verfluchte sie sich. Arthur’s Pass war schon bei Tageslicht nur etwas für konzentrierte Autofahrer. Bei Nacht war er wirklich nur noch kurvig und steil. Tagsüber hatte sie die traumhafte Landschaft der Neuseeländischen Alpen bewundert: goldenes Gras und tiefdunkle Wälder, dazu Bäche und Flüsse – und über allem die schneebedeckten Gipfel der Southern Alps.
    Jetzt sah sie nur wenige Meter im funzeligen Scheinwerferlicht ihres altersschwachen Hillmans. Dazu machte sich die Müdigkeit unverschämt breit. Ihre Lider wurden mit jedem Kilometer schwerer. Sie hielt an einer Tankstelle nach dem Pass an – zum Glück wurde trotz der späten Stunde noch Kaffee verkauft. Zumindest nannte die Frau an der Kasse das bittere Gebräu, das sie ihr reichte, so. Sina schüttete üppig Milch hinein, sonst hätte sie die schwarze Brühe nicht trinken können. Mit einer Grimasse zwang sie den letzten Schluck durch ihre Kehle. Die Verkäuferin sah sie mit einem mitleidigen Blick an. »Wo soll es denn heute Nacht noch hingehen?«
    Â»Paparoa«, antwortete Sina knapp und schnappte sich noch eine Cola aus dem Kühlregal.
    Â»Das ist aber noch eine tüchtige Strecke, Schätzchen. So wie du aussiehst, solltest du lieber ein bisschen an der Matratze horchen, bevor du weiterfährst.«
    Sina schüttelte stur den Kopf. »Ich habe mir vorgenommen, heute noch anzukommen!«
    Ein Blick auf die Uhr ließ die Verkäuferin heiser auflachen. »Das schaffst du doch sowieso nicht mehr. In einer halben Stunde ist Mitternacht. Es kommen noch viele Kurven, das kann gefährlich sein … Morgen bist du in einer einzigen Stunde an deinem Ziel.« Sie sah Sina aus ihren glanzlosen, dunklen Augen an. Erst jetzt bemerkte Sina die fahle Haut und die grauen Strähnen in dem schwarzen Haar. »Sie schlafen doch auch nicht genug!«, antwortete sie.
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Unsereins bekommt nicht so tolle Jobs. Ich bin nicht die Einzige, die zwei Sachen macht, damit sie über die Runden kommt. Nicht so schlimm.«
    Eine Maori. Sina hatte sich noch nicht viel mit dem Leben der Maoris in Neuseeland beschäftigt. Waren sie wirklich benachteiligt? Oder was meinte die Frau mit »unsereins«? Die bleierne Müdigkeit machte ihr auf jeden Fall klar, dass sie recht hatte. Es war Wahnsinn, jetzt einfach weiterzufahren. »Haben Sie etwa ein Zimmer für mich?«, fragte sie nach.
    Mit einem bedauernden Lächeln schüttelte die Frau den Kopf. »Leider nein. Aber vielleicht kannst du ja auf der Rückbank von deinem Auto eine Mütze Schlaf nehmen?«
    Sina nickte. »Ja. Mal sehen.«
    Sie fuhr nur noch ein paar Kilometer, bis sie endgültig aufgab und das Auto auf einen Parkplatz lenkte. Die Rückbank sah zwar unbequem aus – und vor allem zu klein –, aber sie konnte nicht mehr. Wenn sie jetzt noch weiterfuhr, dann würde sie womöglich bald weiße Mäusen auf der Motorhaube tanzen sehen …
    Kindergeschrei. »Was macht die Frau da? Ist sie tot?«, quäkte eine Stimme. Sina öffnete langsam die Augen. Die Sonne stand schon hoch am Himmel und schien unbarmherzig durch die Heckscheibe direkt in ihr Gesicht. Sina setzte sich mühsam auf. Jeder einzelne Muskel in ihrem Rücken protestierte. Zwei Kindergesichter starrten durch ein Fenster in das Innere des Autos. Mit einer Grimasse versuchte Sina, sie zu erschrecken – aber sie blieben stehen und drückten
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