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Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Titel: Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
Autoren: Alexander Lohmann
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abnahm – nicht dass sie mit ihren eigenen Problemen zu ihm kam und Unterstützung forderte.
    Jedenfalls wollte sie sich nicht mehr als Werkzeug benutzen lassen. Sie wollte nicht mehr abwarten, bis ein anderer sie lenkte. Sie würde sich selbst bewegen.
    Frafa schaute auf das Blatt vor sich, und es fühlte sich gut an, selbst etwas zu tun, sich nicht anzulehnen. Und es für sich selbst zu tun.
    Das brachte die Erinnerungen an all ihre früheren Fehler zurück. Ihr Blick trübte sich. Sie schob das Blatt fort, ließ sich tief in den Stuhl sinken. Balgir kroch auf ihren Schoß, und sie kraulte ihn.
    Sie würde auch in Zukunft Fehler machen, aber zumindest würden es ihre eigenen Fehler sein. Doch das würde die Zeit nicht zurückdrehen, und es würde nicht ungeschehen machen, was schon passiert war, was sie, gedankenlos, schon hatte geschehen lassen.
    Nachtalben alterten nicht. Die Zeit bedeutete ihnen etwas anderes als Gnomen und Menschen. Hieß das also, dass auch ein jeder Verlust, ein jeder Schmerz für eine Nachtalbe ewig andauerte?
    Aber in einem Jahr hatte sie gelernt, dass sie für ihre Gegenwart und ihre Zukunft selbst entscheiden musste. Sie hatte gelernt, und sie würde weiterlernen – vielleicht irgendwann auch, wie man abschüttelte, was die eigene Vergangenheit einem aufzwingen wollte.
    Wie lange mochte es dauern, das zu lernen?
    Frafa dachte zurück an das, was Geliuna, die Schwarze Fei, einst zu ihr gesagt hatte: Es mag dir lang vorkommen. Aber es ist nur Zeit. Sie vergeht von selbst.

E PILOG
    Aldungan blieb allein zurück. Die Geschäfte für heute waren getan, und er musste niemanden mehr empfangen. Das war gut. Er war im Innersten aufgewühlt und durfte es sich doch nicht anmerken lassen. Er brauchte Zeit für sich.
    Er suchte Geliunas geheime Kammer auf, wo noch immer das kostbare Kästchen stand. Jetzt war es sein Eigentum, seine Verantwortung – die Lebenskraft der Grauen Lande in Form einer Magie, die er nach Belieben nutzen konnte.
    Aldungan stellte sich vor den Tisch und legte die Hände auf die silberne Schatulle. Magie … hatte er genug.
    Frafa hatte ihn gefunden. Doch sie hatte ihn niemals gefragt, was genau er bei Leuchmadans Hort getan hatte. Er hätte diese Frage auch nicht beantwortet. Niemand durfte es wissen. Noch war die Zeit nicht reif dafür, und vielleicht war es besser, wenn er niemals offen verkündete, wer er war. Was er war …
    Er hatte sich bei der Quelle des Blutes nicht nur versteckt. Schon lange hatten seine Forschungen um das Blut der Erde gekreist. Und jetzt hatte er endlich den letzten Schritt gewagt, jetzt hatte er endlich getan, was er all die Jahrhunderte über vorbereitet hatte.
    »Leuchmadans Hort«, so nannte man die Gänge unter der Sternenklippe, in denen auch die Quelle des Blutes zu finden war. Ein jeder dachte, dieser Name rühre daher, dass der Ort Leuchmadans geheime Wohnstatt gewesen war, bevor er sich den Finstervölkern offenbart hatte.
    Doch Aldungan wusste es besser.
    Leuchmadan hatte diesen Ort niemals verlassen! Die geheimen Grotten unter der Sternenklippe waren Leuchmadans Hort, weil Leuchmadan dort wohnte. Weil er dort gewohnt hatte und weil er immer dort wohnen würde. Im Blut der Erde. Weil Leuchmadan in Wahrheit das Blut der Erde war!
    Es war noch nicht lange her, da hatte Leuchmadan in Fleisch und Blut hier in der Zitadelle residiert. Und er war vergangen, als Leuchmadans Herz zerstört worden war.
    Doch Leib und Herz waren nur die endliche Verkörperung einer unendlichen Macht gewesen, die Leuchmadan war. Und wie es ein Fae dereinst getan hatte, um Leuchmadan zu werden, genau so hatte Aldungan sich in Leuchmadans Hort unter der Sternenklippe mit dem Blut der Erde verbunden. Er hatte Leuchmadan in sich aufgenommen, er war Leuchmadan geworden.
    Leuchmadan war kein finsterer Herrscher, es war eine gesichtslose Macht, fremd und unvorstellbar, die unter den Grauen Landen pochte und Leben schenkte. Womöglich hatte diese Macht ein Denken, ein Streben, ein Bewusstsein, doch es war kein Wesen, wie die Welt sich ein lebendes Wesen vorstellte. Leuchmadan war reine Macht.
    Und diese Macht ruhte nun in Aldungan.
    Aldungan war davon überzeugt gewesen, dass er diese Macht beherrschen konnte. Nein. Womöglich konnte niemand Leuchmadan beherrschen, so wenig wie man einen Berg beherrschen konnte. Ein Berg wuchs oder verwitterte, er bewegte sich und bildete sich neu, und kein Sterblicher hatte Einfluss darauf. Und doch waren die natürlichen Regungen
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