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Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Titel: Der Tag der Messer: Roman (German Edition)
Autoren: Alexander Lohmann
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sich und trat vor. »Heil Aldungan, dem Herrn von Daugazburg!«, rief er.
    »Heil Aldungan, dem König der Grauen Lande«, riefen andere Alben aus.
    Aldungan reckte seinen Stab in die Luft. Der Regen fiel in weichen Tropfen, und wo er auftraf, da fing es an zu grünen. Den trockenen grauen Ranken entsprossen Blätter. Dünnes Gras wuchs zwischen den Füßen der Krieger.
    »Ich habe euch den Sieg über die Bitaner gebracht, wie ich es versprochen habe«, fuhr Aldungan fort. »Folgt mir weiter, und ich verspreche euch Sicherheit, Reichtum und fruchtbares Land. Für die Bürger von Daugazburg und für die Menschen, die in die Wüste gegangen sind, um dort zu siedeln.«
    I M L ICHTMOND DES 1. J AHRES VON A LDUNGANS H ERRSCHAFT –
S OMMER IN D AUGAZBURG
    Nach Aldungans Rückkehr in die Zitadelle dauerte es noch viele Tage, bis die Dinge geordnet waren. Frafas Meister festigte seine Stellung, und er errichtete eine neue Ordnung. Es gab keinen größeren Widerstand mehr, keinen neuerlichen Bürgerkrieg – es war einfach niemand mehr da, der ihn führen wollte.
    Die großen Gruppen aus der Zeit der Revolution waren zerschlagen. Da war keine geordnete Macht mehr außer Aldungan und seinen Anhängern. Was blieb, waren vereinzelte Unzufriedene, die Aldungan verfolgte oder die er in die neue Ordnung einband.
    Aldungan richtete sich in der Macht ein, als wäre sie seine Wohnstube. Er verhandelte, plante und intrigierte, und er bewies Fähigkeiten, als hätte er sich sein ganzes Leben lang nur auf diesen Augenblick, auf diese Übernahme vorbereitet. Die Herrschaft der Grauen Lande schmiegte sich um ihn wie ein maßgeschneiderter Handschuh.
    Frafa fragte sich, ob sie ihren Meister je wirklich gekannt hatte. Hatte er sich in der kurzen Spanne seit dem Umsturz so sehr verändert, oder war es die Macht selbst, die ihn formte und zu jemand ganz anderem werden ließ?
    Und Macht hatte er, weit jenseits von allen Ämtern, die er sich übertragen ließ. Sie umgab ihn wie eine Aura. Alben und selbst Goblins beugten das Knie vor ihm, wie sie es einst vor Geliuna gebeugt hatten. War es die Macht von Leuchmadans Kästchen, die denjenigen durchströmte, der es vollkommen beherrschte?
    Wann immer sie es einrichten konnte, suchte Frafa Zuflucht in der geheimen Kammer. Niemand hinderte sie daran. Sie hatte keinen anderen Platz mehr, an den sie sich zurückziehen konnte. Aldungans alter Turm und die Zitadelle – beide Orte waren nun das Heim ihres Lehrmeisters. Nur in der geheimen Kammer war sie ungestört.
    Am Ende erwirkte Aldungan sogar einen förmlichen Beschluss des Rates, der ihm die Macht übertrug. Bei der entscheidenden Abstimmung waren nicht viele Vertreter zugegen. Manche hatten schon vor der Schlacht die Stadt verlassen, andere waren nach Aldungans Rückkehr untergetaucht. Und manch einer, der noch da war, erschien dennoch nicht, sei es aus Protest oder weil Aldungan ihn daran hinderte. Wen kümmerte es noch? Der Alb hatte das Kunststück vollbracht, sich als Nachfolger der Fei und des alten Reiches zu präsentieren und gleichzeitig auch als Vollender und Exponent der Revolution. Der Rat stufte sich selbst auf den Rang eines beratenden Gremiums zurück. Dafür gab Frafa ihre Stimme gern, sie empfand es als Erleichterung.
    So vereinte Aldungan nun auf sich per Akklamation, Ratsbeschluss und durch eigenen Erlass die Titel eines Königs, des Protektors und des Vertreters Leuchmadans auf Erden. Er nannte sich einfach nur Herr, die alte Anrede, mit der schon Geliuna sich begnügt hatte. Auf dieselbe Weise stellte er die alten Namen wieder her, die Ortsbezeichnungen, die Maße, die Kalenderzählung. Und die Grauen Lande nannte er Falinga, das geschützte Land, ein Name aus der Zeit, bevor der Zauber des Kästchens ihre Heimat verwüstet hatte.
    Und als all das getan war, nachdem der Rat ihn bestätigt und er die Zeit des Übergangs für beendet erklärt hatte, nachdem das Volk von Daugazburg eine Nacht lang auf den Straßen seine Krönung gefeiert hatte, rief Aldungan Frafa in den Spiegelsaal.
    Aldungan hatte die Teppiche herausreißen lassen. Die Ratsbänke waren fort, und Geliunas alter Thronsaal war kahl und leer. Aber Aldungan hatte nicht einfach den alten Stand wiederhergestellt. Nein, auch der Thron fehlte und das Podest, und die Kristalllüster waren verschwunden.
    Der ganze Raum bestand aus Spiegelkacheln, Boden, Wände und Decke. Jede Bewegung wurde tausendfach zurückgeworfen. Kein kleiner Gnom konnte sich hier einschleichen oder
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