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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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hatten.«
    Mit den »einen« meinte der König jene Gerichtsherren, die Heinrich III. in Treue nach Tours gefolgt waren, nachdem die Barrikaden ihn aus der Hauptstadt verjagt hatten. Hierauf hatten die »Sechzehn« sich der Pariser Häuser jener Getreuen bemächtigt, aber der Henri hatte sie daraus vertrieben, als er Paris einnahm. Mit den »anderen« bezeichnete Henri diejenigen Herren, die dem König – zuerst Heinrich III. und dann ihm selbst – nicht die Treue gehalten hatten, die in Paris geblieben waren, um sich mehr oder minder auf die Seite der Liga zu schlagen, und die nach der Einnahme von Paris von Seiner Majestät begnadigt worden waren. Für mein Gefühl konnte man nicht taktvoller und mit feinerer Ironie an diese Begnadigung erinnern, als es der König tat, indem er sagte, er habe sie wieder in den »Treuestand versetzt«, den sie verloren hatten.
    »Wie meinen Vorgängern Gehorsam gebührte«, fuhr der König mit starker Stimme fort, »so gebührt er auch mir, und sogar mit mehr Ergebenheit, denn ich habe den Staat wiederaufgerichtet. Gott hat mich erkoren, dieses Reich zurückzuerobern, das ich ererbt und mir erkämpft habe. Ich weiß sehr wohl, daß man im Parlament Sperenzien macht, daß aufrührerische Predigten gehalten werden, aber diesen Leute werde ich das Handwerk legen. Das ist der Weg, der bis zum Barrikadenbau und bis zur Ermordung des seligen Königs geführt hat. Vor derlei werde ich mich zu hüten wissen! Ich beschneide jede Parteiung an der Wurzel, jede Hetzerei und lasse alle einen Kopf kürzer machen, die Aufruhr stiften!«
    Ich war über die Härte dieser Sprache gleichzeitig baff und froh, und als ich einen Blick auf die Männer warf, die wie ich hinter dem König standen, bemerkte ich, daß sie, so undurchdringliche Gesichter sie auch zu wahren suchten, über diese Entschlossenheit ebenso wie ich jubilierten.
    »Ich habe Stadtmauern übersprungen«, sprach der König (eine Anspielung auf Laon und Amiens), »ich springe auch über Barrikaden, die sind nicht so hoch. Kommt mir nicht mit der katholischen Religion. Ich liebe sie mehr als Ihr. Ich bin katholischer als Ihr. Ich bin der älteste Sohn der Kirche. Ihrtäuscht Euch, wenn Ihr denkt, Ihr stündet dem Papst nahe. Ich stehe ihm näher als Ihr.«
    Hier machte der König einige Schritte auf und ab im Saal, und weil er spürte, daß seine letzten Behauptungen – die sogar mich etwas abenteuerlich dünkten – sein Auditorium nicht überzeugten, rettete er sich in einen bissigen Scherz.
    »Wer dagegen ist, daß mein Edikt durchkommt, will den Krieg: Ich erkläre ihn den Reformierten, und Ihr mit Euren roten Roben fechtet ihn aus! Da sollt Ihr mal sehen!«
    Er jagte unseren Pelzträgern seinen Spott unter die Haut und ließ seinen Pfeil drinnen stecken, um streng und ernst fortzufahren.
    »Wenn Ihr das Edikt nicht passieren laßt, zwingt Ihr mich, zu prozessieren. Ihr seid sehr undankbar, wenn Ihr mich zu solch einem mühseligen Schritt zwingt! Ich habe dieses Edikt aus Notwendigkeit gemacht. Aus der gleichen Notwendigkeit, aus der ich früher Soldat war, und ich habe nicht bloß so getan. Jetzt bin ich König, und ich spreche als König und verlange Gehorsam. Es ist wahr, die Justiz ist mein rechter Arm, aber wenn in diesem rechten Arm der Wundbrand steckt, muß der linke ihn abhacken.«
    Hier legte er eine Pause ein, schritt aufs neue auf und nieder, und um seinen Wendungen wie »einen Kopf kürzer machen« und »abhacken« nicht noch eins draufsetzen, nahm er auf einmal eine gutmütige Miene an und rieb den Rebellen im normalsten Gesprächston unter die Nase, daß ihnen, sollten sie die Liga neu gegen ihn beleben wollen, ein Anführer fehlte.
    »Mein letztes Wort an Euch lautet: Nehmt Euch ein Beispiel an Monsieur de Mayenne! Man wollte ihn zu Machenschaften gegen meinen Willen bereden. Und er gab zur Antwort, dazu sei er mir zu sehr verpflichtet, so wie alle meine Untertanen, weil ich Frankreich wiederaufgerichtet habe, all denen zum Trotz, die es ruinieren wollten. Und wenn so der einstige Chef der Liga spricht, um wieviel mehr dann Ihr, die ich Euch wiedereingesetzt habe, jene sowohl, die mir geblieben sind, als auch jene, die ich begnadigt habe!«
    Zum Schluß blickte er allen schalkhaft in die Augen und milderte abermals den Ton.
    »Gewährt meinem Bitten, was Ihr meinen Drohungen nicht gewähren wollt. Es kommen keine weiter. (Das war ein Witznach allem, was er ihnen gesagt hatte) Tut nur, was ich von Euch erwarte, oder
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