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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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dem 7. Januar 1599, noch bevor ich meine kleine Herzogin besuchte, eilte ich in den Louvre zum König. Ich fand ihn beschäftigt, mit dem kleinen César zu spielen, und trotzdem sprach sein Gesicht von Sorgen. Soeben hatte sein Generalprokurator ihm mitgeteilt, daß der Kapuziner Brulard vor zwei Tagen in Saint-André-des-Arts im Verlauf seiner Predigt gesagt hatte, all jene Richter, die dem Edikt von Nantes zustimmen würden, seien verdammt … Ich hatte dies von Pierre de Lugoli erfahren, dem ich im Vorzimmer begegnet war, vor allem aber machte es mich sprachlos, daß das vor nunmehr neun Monaten unterzeichnete Edikt noch immer nicht vom Hohen Gerichtshof bestätigt worden war, daß die rebellierenden Richter, auf die Kampfansagen des Vatikans und das Geschrei des Klerus gestützt, sich das Pfaffengeschwätz zu eigen machten, Gewissensfreiheit für die Hugenotten sei das Schlimmste und Gefährlichste auf der Welt – wie Clemens VIII. höchstselbst es ja verkündet hatte –, und würde man ihnen diese zugestehen, so wäre es ein Unheil, die Hugenotten würden alsbald überhandnehmen, in die öffentlichen Ämter drängen und wie Gewürm den Leichnam des Staates und die Christenheit zersetzen.
    Ich erzählte dem König, was ich im Escorial erlebt hatte, und er vernahm meinen Bericht, indem er auf seinen mageren Beinen hin und her durch den Raum wanderte, das Haupt vornübergeneigt, wie niedergezogen von seiner langen, zum Kinn herabgebogenen Nase, und mich dann und wann von der Seite mit durchdringendem Blick beäugte.
    »Philipp«, sagte Henri, »hatte gewaltige Mittel, aber er hat sie schlecht genutzt, so erfinderisch er war, denn er war zugleich auch ein Zauderer und Pfuscher. Er fing alles an und brachte nichts zu Ende. Außerdem war er nicht gerade klug, er regierte durch Schrecken, anstatt zu überzeugen. Was den Herzog von Savoyen angeht, Graubart, so werden wir ihm gnädig eine Frist setzen, innerhalb deren er die Markgrafschaft Saluzzo zu räumen hat. Und läßt er die Frist untätig verstreichen, dann ziehen wir ihm die Hammelbeine lang. Alsdann, Graubart, die Herren vom Gerichtshof erwarten mich. Und ich werde dieroten Roben nicht mit Samthandschuhen anfassen. Komm mit, und sieh es dir an!«
    Damit verließ er so stracks das Gemach, daß seine Offiziere und ich Not hatten, ihm zu folgen. Und ohne sich ankündigen zu lassen, betrat er als erster den Saal, wo die Herren vom Gerichtshof dicht beisammenstanden und aufgeregt kakelten wie Hühner im Geflügelhof. Beim Erscheinen des Königs fuhren sie erschrocken zusammen. Und er stellte sich, die Hände in den Hüften, vor sie hin und faßte sie einen nach dem anderen ebenso huldvoll wie gebieterisch ins Auge … Ich bin mir sicher, daß er sich seine Rede reiflich überlegt hatte, dennoch sprach er wie aus dem Stegreif, in dem gleichen lebhaften und spontanen Ton wie im Gespräch.
    Er begann mit einer äußerst geschickten
captatio benevolentiae
1 , in einem freimütigen und familiären Ton, der ihm zugleich den Anschein größter Leutseligkeit gab und in Wahrheit den Vorteil gewährte, alles sagen zu können, auch die härtesten Dinge. Und daran mangelte es seiner Rede nicht.
    »Meine Herren«, sagte er, »Ihr seht mich hier in meinem Kabinett, und ich komme nicht in königlichem Ornat wie meine Vorgänger noch mit Cape und Degen, sondern im bloßen Wams wie ein Familienvater, der mit seinen Kindern ein offenes Wort zu reden hat.«
    Nach diesem Honigseim machten sich die »Kinder« (einige hatten einen weißen Bart) auf Hiebe gefaßt, und die sollten sie bekommen.
    »Was ich Euch vorzutragen habe«, fuhr der König knapp und entschlossen fort, »ist meine Bitte, das Edikt zu bestätigen, das ich den Reformierten zugebilligt habe. Ich habe das um des Friedens willen getan. Ich habe Frieden draußen gemacht. Ich will ihn auch im Innern. Ihr schuldet mir Gehorsam, und sei es nur in Anbetracht meines Amtes, und Ihr seid mir dazu verpflichtet wie alle meine Untertanen, im besonderen aber als Mitglieder meines Parlaments …«
    Hier, schöne Leserin, erlaube ich mir, den König neuerlich zu unterbrechen, denn ich möchte, daß Sie gut auf die beiden folgenden Sätze achten, die einiger Erläuterung bedürfen, um voll ausgekostet zu werden.
    »Ich habe die einen«, sagte der König, indem er das Auge fest auf die Herren richtete, »wieder in ihre Häuser gesetzt, aus denen sie verbannt waren, und die anderen wieder in den Treuestand, den sie nicht mehr
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