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Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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angeht, so gibt es da noch etwas. Ich möchte nur den Heringsgeruch nicht verstärken …«
    »Den Ihr erst riecht«, sagte La Surie, »seit Ihr Priester geworden seid. Mit diesem Kleid muß es eine magische Bewandtnis haben!«
    »Weshalb es mir eine große Ehre ist, es zu tragen«, entgegnete Fogacer in etwas pikiertem Ton.
    »Wollt Ihr damit andeuten«, sagte La Surie, »daß Ihr aus der reinen und klaren Quelle, die Ihr früher wart …«
    »Ich war nie eine reine und klare Quelle«, erwiderte Fogacer bescheiden.
    Dabei senkte er, die diabolischen Brauen wölbend, den Blick.
    »Laß das, Miroul«, sagte ich. »Übertreibe es nicht! Fogacer, Ihr wolltet uns etwas Neues berichten.«
    »Ja, von einer Verfügung in Felipes Testament.«
    »Woher kennt Ihr es?« fragte ich.
    »Mein Kleid«, sagte Fogacer, indem er sich leicht gegen La Surie hin verneigte.
    »Laßt hören.«
    »Ich frage mich nur nach allem, was ich von Monsieur de La Surie höre, ob ich ihn damit nicht noch mehr aufbringe.«
    »Fogacer, nun mokiert Euch nicht über ihn!«
    »Gut denn,
mi fili
. ›Ich befehle‹, sagt Felipe in seinem Testament – und nun merkt gut auf! –, ›ich befehle, daß nach meinem Hinscheiden in jenen Klöstern, die meinen Testamentsvollstreckern als die gottesfürchtigsten erscheinen, so bald als möglich dreißigtausend Messen für mein Seelenheil gelesen werden.‹«
    »Dreißigtausend! Habe ich recht gehört? Dreißigtausend?«
    »Jawohl, dreißigtausend! Nicht eine weniger und ›so bald als möglich‹!«
    »Wie schwarz«, sagte La Surie, »muß sich einer in seiner Seele fühlen, wenn er sich nach seinem Tod eine so ungeheuerliche Weißwaschung verordnet!«
    »Man muß schon sagen«, versetzte ich, »er tut es nicht mit dem kleinen Löffel, sondern mit der Schöpfkelle: dreißigtausend Seelenmessen, Sankt Antons Bauch! Das ist ja, als wollte er sich die Öffnung der Himmelspforte durch Masse erzwingen!«
    »Aber Qualität will er auch«, sagte La Surie, »denn für sein Seelenheil dürfen es nur die ›gottesfürchtigsten‹ Messen sein. Nichts da mit dem Gebabbel dösiger Mönche! Felipe schreibt höchste Inbrunst vor!«
    »Fogacer, Ihr schweigt«, sagte ich.
    »Weil mich mein Stand«, sagte Fogacer mit einer Bewegung, die mich überraschte, »zu mehr Mitgefühl verpflichtet. Aus dieser Testamentsverfügung Felipes lese ich die Verzweiflung eines allmächtigen Königs, sein Seelenheil überhaupt jemals zu erlangen. Gleichzeitig gestehe ich, daß seine unerhörte Anmaßung mich bekümmert. Um seinetwillen dreißigtausend Mönche in Aktion zu setzen! Damit sie ihm durch Messen die enge Pforte öffnen! Wo ist da Demut? Wo ist da Reue?«
     
    Das Gute am Memoirenschreiben ist, daß man tun kann, was sich im Leben verbietet: nämlich lästige Zeiten zu überspringen, und Gott weiß, wie sehr die Zeit im Escorial mir zur Last und alles dort zum Überdruß wurde, sogar Doña Clara. Denn je heißer sie mich umarmte, desto schriller verklagte sie mich hernach, erklärte unsere Körper samt ihrer Lust für sündig und nichtig und verbohrte sich immer starrsinniger in ihren Vorsatz, den Schleier zu nehmen, so daß ich mehr als einmal versucht war, ihr meine Tür zu verschließen.
    Felipe II. starb am dreizehnten September, und vier Monate später war ich zu Hause. Und so wie ich meine Macht benutzt habe, jene unerquickliche Periode meines Lebens zu überspringen, möge der Leser erlauben, daß ich mit einem Satz auch die lange Reise vom Escorial bis ins Périgord abkürze (wo ich meinen Vater gesund und munter wiedersah), dann vom Périgord nach Montfort l’Amaury und von Montfort in die Hauptstadt. Wie atmete ich auf, als wir die Grenze überschritten und heimkehrten ins liebliche Frankreich! Wie ungleich wohler wurde mir zumute, so daß ich auch meinen Gefährten mehr Aufmerksamkeit schenkte. La Surie, den ich im Escorial oft gallig erlebt hatte, wurde wieder heiter und witzig, und Fogacer hatte seine Pointen zu schlucken. Doch setzte Fogacer mich mehr und mehr in Erstaunen, und wenn ich ihn so beobachtete, fühlte ich, daß seine Wandlung ihn mir fremder machte, obwohl ich ihn doch liebte wie je. War sein geistliches Kleid, wie ich vermutete, für ihn anfangs eher Schirm und Schild gewesen, schien es mir nunzunehmend die Hülle seiner Seele zu werden. Seine Reden wurden ernster, enthielten sich der Ironie, und ich sah, daß sein Herz weit mehr an der Kirche hing, als er zugeben wollte.
    Gleich am Tag meiner Ankunft in Paris,
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