Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der Tag bricht an: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
wollte, meine Gesandtschaft war eine öffentliche Angelegenheit, und trotzdem, das gestehe ich, seit mein geliebter Herr und König Heinrich III. zu Saint-Cloud ermordet wurde, sah ich eine dunkle Kutte nie ohne Unbehagen. Daher wich ich bis an meinen Nachttisch zurück und griff hinter meinem Rücken nach derPistole, die ich immer am Bett bereitliegen habe, doch ohne sie zu zeigen und gesinnt, sie höchstens zur Einschüchterung zu gebrauchen, denn ich sagte mir, auch wenn der Mönch ein Messer hätte, könnte ich ihn zuerst mit einem Fußtritt in den Bauch abwehren.
    »Pater«, sagte ich, da der Mönch kein Wort sprach, nur mit gesenktem Kopf dasaß und wie in heftiger Erregung hechelnd atmete, »wenn Ihr etwas auf dem Herzen habt: Ich höre.«
    »Das ist nicht leicht zu sagen«, hob endlich der Mönch mit leiser, zarter Stimme an.
    Womit er aufstand und einen Schritt zur Tür hin machte, dann innehielt, sich wieder setzte, aber seltsam zitternd und bedrückt.
    »Ha! Ich komme um!« sagte er, und unversehens zog er die Hände aus den Ärmeln und warf die Kapuze von seinem Kopf.
    »Doña Clara!« stammelte ich.
    »Gelobt sei Gott!« sagte sie mit einem Seufzer und sank zurück in den Sessel, »das Schwerste ist vollbracht! Ich dachte, ich schaffe es nicht. Monsieur, mich schwindelt … Gebt mir Wasser, bitte.«
    Was ich tat, auch half ich ihr zu trinken, indem ich den Becher an ihre Lippen hielt und ihren Nacken stützte, der wie leblos in meiner Linken lag. Als sie getrunken hatte, bewegten sich ihre Lider, und in ihr Gesicht kehrte ein wenig Farbe zurück. Ich wollte ihren Kopf an den Sessel lehnen. »Nein, nein«, sagte sie mit schleppender Stimme, »laßt Eure Hand, wo sie ist, es tut mir wohl. Ich bin so froh, Euch zu sehen«, fuhr sie fort, indem sie mich aus ihren tiefblauen Augen, gesäumt vom schwarzen Wimpernkranz, anblickte. »Bitte, gebt mir noch Wasser! Wißt Ihr, woran mich das erinnert? … Wie Ihr mich während der Pariser Belagerung aufnahmt, als ich am Verhungern war: Ihr gabt mir mit Wasser vermischte Milch und flößtet sie mir mit einem Löffel ein. Ach, Pierre, wie gut und fürsorglich Ihr da zu mir wart!«
    Und mit matter Stimme, immer wieder einen Schluck trinkend, zählte Doña Clara meine »liebenswerten Tugenden« auf, ganz wie damals in ihrem Abschiedsbrief, und ich fürchtete schon, sie käme wie dort auch auf meine »beklagenswerten Laster« zu sprechen, nämlich daß ich ihre freundschaftliche Neigung zurückgewiesen hatte, vor allem aber, daß ich zwischenKammerfrau, Bürgerin oder hoher Dame keinen Unterschied machte als ein Mann aller Frauen.
    Zu meiner Erleichterung beließ sie es diesmal bei meinen Vorzügen, ohne den Honig mit auch nur einem Tropfen Essig zu vergällen, und schenkte mir über den Becher hinweg so zärtliche und warme Blicke, daß ich sie mit der herben Abfuhr nicht zu vereinbaren wußte, die sie mir in Rom erteilt hatte – wo sie mir gleichwohl das Leben rettete. Ich schwankte, ob ich ihr meinen Dank dafür aussprechen solle. Weil dies aber unweigerlich ihre Eifersucht neu entfacht hätte, müßte ich doch dabei die Pasticciera erwähnen, umhüllte ich sie nur mit liebevollen Worten und streichelte ihren Kopf und Nacken, sie hatte ja ausdrücklich gewollt, daß ich meine Hand nicht zurückzöge. Nach drei, vier Minuten indes bedeutete sie mir, daß sie genug getrunken habe, und erblaßte erneut.
    »Alsdann, Monsieur«, sagte sie mit ersterbender Stimme, »ich habe Euch wiedergesehen. Genug denn, ich gehe!«
    Damit erhob sie sich, doch so taumelnd und wankend, daß sie zu Boden gesunken wäre, hätte ich sie nicht aufgefangen. Und da ich sie an mich zog, damit sie nicht falle, fühlte sich ihr Körper in meinen Armen so weich an, daß mich jeder Wille verließ, sie gehen zu lassen – wäre ich dessen überhaupt innegeworden. Denn ich war von Sinnen. Dennoch streifte mich in meiner Trunkenheit der Gedanke, daß ich noch nie im Leben eine Kutte umarmt hatte, und mit welch einer Leidenschaft! Doch diese Frau hatte zu oft gegen mich gefaucht, als daß ich gewagt hätte, ihren Mund zu küssen. Sie aber erlöste mich aus allem Zaudern, indem sie mit ihren Lippen die meinen suchte. Ha, Leser! Ich frage mich, ob ich die Frauen wirklich so gut kenne, wie ich mir einbilde! Sie überraschen mich immer wieder …
     
    Obwohl Fogacer mein Nachbar war, hatte ich ihn mehrere Tage nicht zu Gesicht bekommen, und so war ich hocherfreut, als er eines Tages, während La Surie und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher