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Der Tag an dem ich erwachte

Der Tag an dem ich erwachte

Titel: Der Tag an dem ich erwachte
Autoren: Emilia Miller
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ich routiniert: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden…“
    Draußen hatte es angefangen zu regnen, die Wassertropfen rannen an dem Fenster herunter, begleitet vom leichten Klopfen, das sich dem Rhythmus meines Herzens anzupassen schien.
    „Und vergib uns unsere Schulden…“
    Es blitzte und donnerte, und das Klopfen der Regentropfen wurde schneller, heftiger, wütender.
    „Wie auch wir vergeben unsern Schuldigern…“
    Es donnerte plötzlich so laut, als wäre der Himmel über mein Gebet empört, ich zitterte am ganzen Körper und schluchzte und schrie meine Worte laut heraus: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen!“ Das Fens ter war immer noch halb offen, sodass die Wasserspritzer mit dem Heulen des Windes hineinkamen und wie kalte Peitschen auf meinem tränennassen Gesicht landeten. Ich umarmte meinen bebenden Körper und schaukelte vor und zurück: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen“, flüsterte ich mit meiner letzten Kraft und fiel erschöpft aufs Bett. Ryan füllte mein Glas mit Wasser, ich merkte, dass auch seine Hände leicht zitterten.
    „Ich schätze, wir haben unsere offizielle Erinnerung Nummer drei“, lächelte er mir aufmunternd zu, „gar nicht so schlecht für den Anfang.“ Er machte das Fenster zu, und das Gewit ter beruhigte sich wieder, genauso schnell, wie es angefangen hatte, als hätte es seine Mission erfüllt. Auch ich beruhigte mich, mein Atem ging wieder flach und regelmäßig, ich schnäuzte mich und trank das Wasser in einem Zug aus.
    „Zurück zu unserem Plan!“, sagte er bestimmend und trocknete zärtlich meine Tränen ab. Ich erschauderte wohlig unter seiner flüchtigen Berührung und wünschte mir insgeheim, seine Hand würde viel länger auf meinem Gesicht verharren und danach weiter nach unten gleiten. Langsam über meinen Hals fahren, meinen ganzen Körper liebkosen, und dann… Waren diese Gedanken nicht seltsam und äußerst fehl am Platz angesichts der Situation, in der ich mich befand, fragte ich mich und musste über die Absurdität dieser Frage unwillkürlich lächeln. Ryan hatte fälschlicherweise angenommen, dass mein Lächeln seinem Plan galt und fuhr enthusiastisch fort: „Mister Ekel ist dazu verpflichtet, seinen Besuch mindestens eine Stunde vorher bei mir anzumelden. Also werde ich Ihnen sofort nach seinem nervigen Anruf ein starkes Schlafmittel verabreichen, das innerhalb weniger Minuten wirkt, sodass Sie gar nicht in den zweifelhaften Genuss seiner Gesellschaft kommen. Zumindest während der nächsten Tage, bis uns eine bessere Lösung einfällt. Wer weiß, vielleicht werden Sie Ihr Erinnerungsvermögen bis dahin wieder erlangt haben?“
    „Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll, Ryan“, sagte ich, ergriff seine Hand und drückte sie an meine erhitzte Wange. Ich will dich jetzt auf der Stelle, sagte mein Blick, doch er senkte seine Augen, um nicht in Versuchung zu geraten. Ich stellte erfreut fest, dass er um Atem rang. Draußen kamen die ersten Sonnenstrahlen hinter den Wolken heraus und erhellten den grauen Himmel, als hätte ich mir das Gewitter nur eingebildet. Vielleicht ist es alles bloß eine Einbildung, dachte ich hoffnungsvoll, ein Alptraum, ein wirklich sehr langer, hartnäckiger Alptraum, aus dem ich bald wieder erwachen würde. Kann ein Traum so real sein? Das wusste ich nicht, denn ich konnte mich an keine Träume erinnern, genauso wenig wie an die Realität.
    „Ich werde Sie leider für wenige Stunden allein lassen müssen“, sagte Ryan mit einem bedauernden Unterton in seiner Stimme, deren Klang mir bereits in der kurzen Zeit so lieb und vertraut geworden war, dass ich mich am liebsten an ihn festgeklammert und ihn angefleht hätte, nicht zu gehen. Die Panik in meinem Blick entging ihm nicht, denn er zwinkerte mir freundlich zu: „Nur für ein paar Stunden, nicht länger. Und damit Sie sich nicht allzu sehr langweilen, habe ich mir eine kleine Aufgabe für Sie überlegt.“ Er zeigte auf einen kleinen, altmodischen Fernseher, den ich bis jetzt vollkommen übersehen hatte. „Ich habe ein paar Filme für Sie ausgeliehen, sowohl moderne als auch Klassiker. Wissen Sie, wie man einen DVD Player bedient?“
    „Ich denke schon“, antwortete ich überrascht, als mir plötzlich klar wurde, dass ich es tatsächlich wusste.
    „Das ist gut“, lobte er mich. „Suchen Sie
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