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Der Tag an dem ich cool wurde

Der Tag an dem ich cool wurde

Titel: Der Tag an dem ich cool wurde
Autoren: Juma Kliebenstein
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damit beschäftigt, um Yannic herumzutanzen wie um das Goldene Kalb.
    Karli schüttelte den Kopf.
    »Wie peinlich kann es denn sein«, murmelte er vor sich hin. »Die?«, fragte ich. »Die sind immer so.«
    »Nee«, sagte Karli. »Ich hab mich gemeint. Eben.« Er zeigte auf das Klebestreifenknäuel, das vor ihm auf dem Tisch lag. »Mach dir nichts draus«, sagte ich. »Mit peinlichen Auf ritten kenn ich mich aus.«
    Und dann erzählte ich ihm von meinem ersten Schultag und der Begegnung mit Lucas. Karli grinste.
    »Wir sind also hier die Freaks«, sagte er.
    »Sieht so aus«, sagte ich.
    Und das war das erste Mal, dass es mir wirklich gleichgültig war.
    Es war der beste Schultag seit Ewigkeiten.

    Am Nachmittag — es muss wohl so gegen vier gewesen sein, ich war nämlich mit den Aufgaben fertig und habe auf dem Bett gelegen und gelesen da hat es geklingelt. Ich habe mir nichts dabei gedacht, weil für mich ohnehin nie jemand kommt, also war es wahrscheinlich für Mama.
    Tja, und dann klopft es und meine Mutter guckt herein mit einem Gesicht, als hätte jemand gerade nach mir gefragt, und sagt: »Martin, da ist jemand an der Tür, der hat gerade nach dir gefragt!«
    Sie schaute mich an wie ein seltenes Tier und wartete, dass ich etwas sage, aber hab ich nicht. Was hätte ich denn sagen sollen? Mir fiel ja selber nichts ein, außer, dass es vielleicht ein Witz war, aber so klang es nicht.
    »Kennst du den? Er ist ziemlich klein und dünn und sagt, er heißt Karli und ist in deiner Klasse?«
    Ich dachte, ich spinne.
    »Na, was jetzt? Du hast doch keinen Karli in der Klasse?«, fragte meine Mutter.
    »Doch, seit heute«, antwortete ich.
    »Und was will der hier?«, fragte sie erstaunt. Sie wusste wohl nicht, was sie denken sollte, denn dass jemand bei uns klingelt und nach mir fragt, hatte es seit der Grundschule nicht mehr gegeben. (Es sei denn, man zählt den Nachbarn mit, der sich bei Mama beschweren wollte, weil ich ihm die Zunge rausgestreckt habe, als er »Na, Martin, noch mal zugelegt, was?« gesagt und laut gelacht hat.)
    »Keine Ahnung«, antwortete ich.
    »Was soll ich ihm denn sagen?«, fragte meine Mutter.
    Da musste ich nicht lange überlegen.
    »Schick ihn rauf«, sagte ich.
    Meine Mutter schaute mich an wie ein sehr seltenes Tier und verschwand wieder. Ich hörte, wie sie zu Karli sagte: »Geh ruhig rauf«, und hatte gerade noch Zeit, mich hinzustellen, da erschien Karli in der Tür und grinste mich an.
    »Hi«, sagte er.
    »Hi«, sagte ich.
    Und dann unterhielten wir uns. Wir haben den ganzen Nachmittag lang gequatscht, über alles Mögliche. Ich hätte nie gedacht, dass das so einfach sein kann. Ich habe Karli meine Experimentiersammlung gezeigt und meine Computerspiele und überhaupt alles, was ich so mache. Er hat sich richtig dafür interessiert. Karli macht nämlich auch Experimente. Ich hätte nie geglaubt, dass ich mal jemanden kennenlernen würde, dem das auch Spaß macht. Außerdem mag er dieselbe Musik wie ich. Rockmusik.
    Ich habe alle meine CDs auf einem Regal an der Wand aufgestellt, und auf dem Boden steht eine Kiste mit den Schallplatten, die ich von Papa geschenkt bekommen habe. Wir haben auch noch einen alten Plattenspieler, auf dem man sie hören kann.
    »Mann!«, hat Karli gerufen und sich auf die Kiste gestürzt, aus der ein AC/DC-Album ragte. »Back in Black! Das ist ja toll! Genau die mag ich so gern, aber ich habe nur die CD. Du hast ja die echte Schallplatte!«
    »Sollen wir sie anhören?«, fragte ich.
    Ein bisschen seltsam war mir dabei schon zumute. Ich hatte noch nie mit jemand anders außer Papa Musik angehört. Er erzählt mir dabei immer, was er über die Band oder die Lieder weiß. Vieles von dem, was wir uns zusammen anhören, ist aus seiner Jugendzeit. Ich wusste nicht, wie es sein würde, mit jemandem Musik zu hören, den ich noch gar nicht richtig kenne.
    »Klar!«, rief Karli begeistert.

    Ich legte die Schallplatte vorsichtig auf den Plattenteller und setzte die Nadel behutsam darauf. Es knisterte aus den Lautsprechern. Das ist das Schöne an Schallplatten: Die Musik klingt besser als von einer CD. Echter irgendwie. Dann begann der erste Song. Wir lehnten uns in den Sesseln zurück und lauschten. Wir hörten die ganze Platte durch und redeten die ganze Zeit nichts, so gebannt lauschten wir den Gitarrenklängen von Angus Young und der Stimme von Brian Johnson. Ich begann, mit den Füßen im Takt zu wippen. Plötzlich hörte ich etwas aus Karlis Richtung: Er sang mit.
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