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Der Tag an dem ich cool wurde

Der Tag an dem ich cool wurde

Titel: Der Tag an dem ich cool wurde
Autoren: Juma Kliebenstein
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Jeans und T-Shirts und den Haufen alter bunter Kleider brachte sie zum Roten Kreuz.
    »Es gibt genügend Kinder auf der Welt, die nichts zum Anziehen haben«, sagte sie. »Die freuen sich über deine Sachen. Wo sie doch alle so todschick sind.«
    Ich sah, dass oben in der Tasche das babyblaue Der beste Bauch der Welt- T-Shirt lag. Papa fand es wohl auch nicht mehr so toll. Jedes Kind, das dieses T-Shirt würde tragen müssen, tat mir jetzt schon leid. Es tat mir sogar so leid, dass ich das T-Shirt heimlich aus der Sporttasche nahm und später zu Hause in die Mülltonne stopfte, ganz nach unten.
    Von diesem Tag an trug ich also nur noch schwarze Sachen. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis die Fabs aufhörten, jedes Mal »Der beste Bauch der Welt« zu sagen, wenn ich vorbeiging, aber ich, ganz in Schwarz, schritt einfach mit hoch erhobenem Kopf davon und stellte meine Ohren auf Durchzug.

…7: Von meiner Familie und toten Fliegen

    Tja, nun könnt ihr euch so ungefähr vorstellen, wie es für mich in der Klasse war. Natürlich war nicht jeder Tag so peinlich wie der, von dem ich eben erzählt habe. Meistens ist einfach alles langweilig vor sich hin gelaufen: In der Schule war ich für mich alleine, für gewöhnlich hatte ich meine Ruhe und ab und an wurde ich von den FabFour mit ausgesuchten Gemeinheiten geärgert. Zu Hause bekamen wir irgendwann Zuwachs: Mein Opa ist vor einem Jahr pensioniert worden. Und Oma sagte sehr bald, es reiche ihr durchaus, wenn sie Opa so oft sieht wie vor seiner Pensionierung. Das bedeutet, sie scheucht Opa morgens aus dem Haus. Er soll dann im Garten arbeiten oder im Keller in seiner Werkstatt oder er soll einkaufen gehen. Zum Mittagessen darf er kommen, danach muss er schauen, was er macht, aber auf keinen Fall darf er ihr jammerig zwischen den Füßen herumstehen, sagt Oma. Das macht Opa dann also meistens bei uns. Irgendwann nach dem Essen schneit er herein und steht bei uns herum. Mama ist darüber nicht sehr glücklich, denn Opa ärgert gerne Leute, besonders Mama, weil die sich immer so schön aufregt. Und Papa sagt dann, Mama soll sich nicht so aufregen, Opa meint es nicht böse. Mama sagt, Opa soll sich endlich mal ein Hobby suchen, andere Menschen werden auch pensioniert und stehen nicht nur in Wohnungsfluren rum und ärgern ihre Schwiegertöchter. Statt im Wohnungsflur rumzustehen, kommt Opa jetzt öfter zu mir ins Zimmer und bringt mir neue Experimentierbücher. Da stehen ganz nette Sachen drin. Während die anderen aus meiner Klasse zusammen ins Schwimmbad gingen oder Musik hörten oder PC-Spiele gegeneinander spielten, saß ich meistens in meinem Zimmer und machte Experimente. Ich bin mittlerweile ziemlich gut darin, aus allem, was man so findet, etwas zu machen, das kracht oder stinkt oder zu etwas nütze ist. Am meisten Spaß macht es, wenn ich Mama oder Papa aus der Fassung bringen kann. Wie zum Beispiel an dem Tag, als ich eine tote Fliege zum Leben erweckte. Jedenfalls fast.
    Meine Mutter wollte mich mal wieder vor die Haustür scheuchen. Sie sagt, wenn man immer nur drinnen sitzt, wird man träge und beleibt und matschig in der Birne, aber ich hab mich geweigert. Wie langweilig ist das denn, alleine draußen rumzulaufen? Das macht einfach keinen Spaß.
    »Du könntest doch im Garten spielen«, hat sie gesagt und mich so lange zugetextet, bis ich mich irgendwann mit meinem Experimentierkasten auf die Terrasse verzogen habe. Ich habe zwar nicht ganz verstanden, welchen Unterschied es machen soll, ob ich in meinem Zimmer am Schreibtisch sitze oder auf der Terrasse am Gartentisch, und ich glaube, Mama hat es selbst nicht verstanden. Gesagt hat sie aber nichts. Sie ist immer wieder rausgekommen, hat mich betrachtet, den Kopf geschüttelt und geseufzt und ist dann wieder reingegangen. Als sie zum hundertsten Mal rauskam, war ich gerade dabei, eine Fliege aus meiner Cola zu fischen. Vor Kurzem hatte ich in einem Buch gelesen, wie man eine Fliege retten kann, die ins Wasser gefallen ist und dann wie tot auf dem Rücken liegt. Ich habe sie also vorsichtig rausgeholt, auf eine Untertasse gelegt und mit dramatischem Unterton in der Stimme gesagt: »Ich erwecke dich wieder zum Leben!«
    »Blödsinn«, hat meine Mutter gesagt, aber sie hat trotzdem zugeguckt, was ich mit der Fliege gemacht habe.
    Ich habe den Salzstreuer genommen, das Streurädchen auf mittelgroß gedreht und vorsichtig Salz über die Fliege rieseln lassen.
    »Was machst du denn da?«, hat meine Mutter entsetzt
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