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Der stumme Ruf der Nacht

Titel: Der stumme Ruf der Nacht
Autoren: L Griffin
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dazwischen kniete ein Fotograf und knipste.
    Nathan ging zu der mürrischen Polizistin, die neben den Absperrböcken an der südöstlichen Ecke des Tatorts postiert war. Den Trottel vom Dienst brauchte er nicht mehr zu suchen.
    Er nickte. »Brenda.«
    Sie nickte ebenfalls und beäugte dann Hodges skeptisch.
    »Das ist Will Hodges«, sagte Nathan. »Er ist neu an Bord.«
    »Der Name des Opfers ist John David Allen«, verkündete sie stolz. »Zweiundvierzig Jahre, wohnhaft in Sunset Cove 689.«
    »Schon mal nach der Brieftasche gestöbert, was?«
    Ihr stolzer Gesichtsausdruck war wie weggewischt. »Äh, nein. Ich habe nur -«
    »Niemals das Opfer anfassen.«
    »Hab ich doch nicht. Die Brieftasche lag einfach so am Boden. Ich hab den Ausweis durchs Fenster gesehen.«
    Nathan nahm das Klemmbrett, das sie ihm hinhielt, und kritzelte Namen und Abzeichennummer auf das Tatortprotokoll, das nichts weiter war als ein eingerissenes Blatt Papier. Nachdem Hodges dasselbe getan hatte, schlüpften sie unter dem Absperrband durch.
    John Alvin. Der Name sagte ihm etwas, aber Nathan wusste nicht was. Alvin. Alvin. Wo hatte er ihn bloß schon gehört?

    Er trat hinter den Fotografen und inspizierte den Buick. Das durchglühte Auto stank nach Tod, und in seinem Inneren schwärmten bereits die Fliegen. Manchmal sehnte sich Nathan nach einem Job in Minnesota oder Vancouver. Irgendwo, wo die Insekten nicht schon nach zwölf Sekunden auf einer frischen Leiche auftauchten.
    »Hey, Bart.« Nathan ging neben dem Fotografen in die Hocke, dessen Geruchsnerven scheinbar schon völlig abgestumpft waren. Jedenfalls knipste er unbeeindruckt von dem Gestank ein Bild nach dem anderen. Nathan brauchte noch knapp eine Minute, bis er sich an den Geruch gewöhnt hatte.
    »Ein Schuss aus kurzer Entfernung«, mutmaßte Bart. »Etwa aus einem Meter, würde ich sagen.«
    Nathan beugte den Kopf nach unten, um besser zu sehen. Wenigstens das Gesicht würde er so erkennen …
    John David Alvin. Ein Rechtsanwalt. Dem Mann war Nathan erst im Januar begegnet.
    »Scheiße«, murmelte er und erhob sich. Ihn beschlich ein ungutes Gefühl. Er ging um den Wagen und kontrollierte das Nummernschild.
    »Es gibt eine Zeugin, Detective. Sie sagt, sie war mit dem Opfer im Auto, als es passiert ist.«
    Aus dem unguten Gefühl wurde ein beschissenes. Er drehte sich zu dem Streifenpolizisten, der mit hochrotem Kopf in der Nachmittagssonne stand. Er war sehr blass und viel zu dick. Seine Uniform war unter den Achseln durchgeschwitzt.
    »Im Auto drin?«, fragte Nathan.

    »Ja. Sieht nach Raubüberfall aus.«
    Der Streifenpolizist gestikulierte mit dem Kopf zu einem Polizeiwagen am östlichen Ende des Parkplatzes. Die hintere Tür stand offen, und auf der Rückbank saß eine Frau: barfuß, beide Ellenbogen auf die Knie gestützt, den Kopf in den Händen vergraben.
    »Mist.«
    »Was ist?« Hodges stieß zu ihnen und folgte Nathans Blick zum Polizeiwagen. Die Zeugin, die auf ihre Vernehmung wartete, hatte langes schwarzes Haar mit leuchtend roten Strähnen. Sie war in sich zusammengesunken und schien sich die Schläfen zu massieren. Ihr Gesicht war nicht zu erkennen.
    Aber das war auch nicht nötig. Nathan brauchte nur diese kilometerlangen Beine zu sehen, um zu wissen, wer da saß.
    »Oh, Mist«, wiederholte er viel zu geschockt, um sich einen neuen Fluch auszudenken.
    »Wer ist das?«
    Er blickte zu Hodges. »Du erinnerst dich doch an die Zeichnerin von vorhin?«
    »Die im Hosenanzug? Aus dem Krankenhaus?«
    »Genau.«
    »Was ist mit ihr?«
    »Halt dich fest, Mann«, erwiderte Nathan. »Jetzt lernst du ihre Schwester kennen.«

Kapitel 2
    Schwärme von Fliegen schwirrten um den Buick.
    Courtney gab sich alle Mühe, nicht darauf zu achten, aber sie konnte sich nicht von dem Anblick losreißen. Die Fliegen waren bei David. Und der war tot. Wäre sie nur ein bisschen stärker gewesen, ein bisschen schneller von Begriff, dann würde er noch leben. Und sie müsste dieses widerliche Summen unzähliger Fliegen nicht hören.
    Endlich zwang sie sich, vom Auto wegzusehen. Ein Gefühl, eine Art Jucken zwischen den Schulterblättern sagte ihr, dass sie beobachtet wurde. Während ihr Blick über die Büsche glitt, fragte sie sich zum hundertsten Mal, was aus dem Mann mit der Skimaske geworden war. Wer war er? Und wo war er jetzt? Hatte er sich versteckt, um seine Wunden zu lecken? Oder war er hier irgendwo und beobachtete sie?
    »Miss Glass?«
    Sie warf den Kopf herum. War das nicht wieder
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