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Der Strom, der uns traegt

Der Strom, der uns traegt

Titel: Der Strom, der uns traegt
Autoren: Rinus Spruit
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und schreiend sackt das Schwein zusammen. Jetzt wird es mit Weizenstroh gebrannt, um die Borsten abzusengen. Man riecht es, man hört die Borsten knistern. Nach dem Brennen wird das Schwein mit Wasser übergossen und mit einem Messer sauber geschabt. Schön glatt ist es jetzt und etwas gelblich. Der Vater betrachtet es vergnügt. »Das muss man sich anschauen, was für ein schönes Schwein. Junge, Junge, was für ein schönes Schwein das ist!« Das Schwein liegt auf dem Bauch, die Pfoten nach außen gezogen, sodass es nicht wegrollen kann. Jetzt kann das Schlachten beginnen. Der Vater zieht seine Schlachterschürze an und nimmt einen Schnaps. Es hat etwas Feierliches. Der Vater, der nie Schnaps trinkt. Nur vor dem Schlachten trinkt er einen Schnaps, um seinen Atem zu reinigen, unsauberer Atem könnte das Fleisch verderben. Der Vater schneidet eine Scheibe von der Schnauze ab, er schneidet so, als wäre es ein Stück Kuchen, und wirft es den Katzen zu. Dann nimmt er ein großes Hackmesser, hackt dem Schweinden Kopf ab und legt ihn in einen Eimer. Nun packt er ein anderes Messer und schneidet mit einer langsamen, fließenden Bewegung das Rückgrat heraus, inklusive Schwanz. Jetzt liegt das Schwein offen da und man kann die Därme und die anderen Innereien herausholen.
    Wir tragen das Rückgrat hinein und stellen es aufrecht in das Speckfass. Der Vater hebt jetzt mit seinen großen Händen alle Därme auf einmal heraus. Er steht da, die Arme voller Därme. Unter den Därmen liegt das Schweinefett. Das wird zum Steifwerden über einen Besenstiel gehängt.
    Die Mutter läuft nervös mit Eimern, Schüsseln und Töpfen hin und her, der Vater hackt und schneidet, und Merien und ich tragen die Fleischstücke hinein und legen sie auf einen Tisch in der Tenne. Der Vater nimmt den Schweinekopf, legt ihn auf den Hackklotz und spaltet ihn mit einem Schlag in zwei Teile. »Hol doch mal ein Schüsselchen von deiner Mutter.« Mit seinen Fingern pult er das Gehirn heraus und legt es auf einen Teller. Wir würden es noch am selben Tag essen, gebacken oder gekocht.
    Der Dünndarm wird mit einem Messer über einem Brettchen sauber geschabt. Dann wird er über die Öffnung des Fleischwolfs geschoben und mit Fleisch, Speck und Leber gefüllt. Der Vater schiebt mit seinem Daumen das Fleisch in den Fleischwolf, ich drehe. Die Würste werden zum Trocknen über einen Besenstielgehängt, der auf zwei Stuhllehnen liegt. So können sie austropfen und fest werden. Der Vater hackt den Schweinekopf weiter in Stücke. Diese Stücke werden gekocht und später, nachdem die Knochen entfernt sind, zusammen mit einem Stück gekochten Schinken durch den Fleischwolf gedreht. Dann wird die Masse auf einem Teller schön plattgedrückt und weggestellt. Wenn sie hart und trocken geworden ist, kann man davon Scheiben abschneiden und sie zum Brot essen. Schweinskopfsülze heißt das.
    Die Schinken und der Speck werden ins Speckfass gelegt, darüber kommt eine dicke Schicht Salz. Wochenlang muss es »sein Salz empfangen«, wie die Mutter es immer fast feierlich ausdrückte.
    Nichts vom Schwein geht verloren. Denn von diesem Schwein müssen wir ein ganzes Jahr lang satt werden. Das Schwein, das heute früh noch grunzend durch den Stall gelaufen ist, befindet sich nun in großen Steinguttöpfen, gut gesalzen und mit einer Schicht Schweinefett bedeckt. Es hängt jetzt als Wurst über Besenstielen und wird später als Schinken von den Dachbalken herunterbaumeln.
    Und abends, am Abend des Schlachttags, haben wir ein Festmahl. Dann essen wir große Stücke frischer Wurst, von der Mutter herrlich braun gebraten. Dann essen wir, bis wir vor Fett glänzen. Nur die Mutter kann es nicht lassen, zu seufzen und zu sagen, dass wir nächstes Jahr wohl nicht wieder so ein schweres Schweinhaben werden. Und der Vater? Der Vater sagt nichts. Der Vater hat seine eigenen Gedanken. Das Schweineschlachten kann man dem Vater überlassen. Mein Vater ist ein Schweinemann.

DER FORD
    Der Vater nahm immer öfter Aufträge an, die weit weg von zu Hause waren. Wir mussten dann Dutzende von Kilometern mit dem Fahrrad fahren, manchmal bis nach Rilland. Auf alten, klapprigen Fahrrädern, vollgeladen mit Material, fuhren wir zu einem Bauern und blieben meist über Nacht in seiner Scheune, denn jeden Tag hin- und herzufahren war unmöglich. Der Vater kam auf diesen weiten Touren nicht mit, denn die Mutter wollte nachts nicht allein sein. Er blieb dann zurück und erledigte einige Reparaturen bei
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