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Der Strand von Falesa

Der Strand von Falesa

Titel: Der Strand von Falesa
Autoren: Robert Louis Stevenson
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hinüberkriechen; dann aber schien mir, Schnelligkeit wäre die Hauptsache, und ich richtete mich halb auf, um einen Sprung zu machen. In demselben Augenblick kamen von irgendwoher zwischen mir und der See ein Blitz und ein Knall, und eine Büchsenkugel pfiff mir am Ohr vorbei. Stracks war ich auf und hatte mein Gewehr fertig, aber der Kerl hatte eine Winchester, und bevor ich ihn bloß zu sehen kriegte, schmiß sein zweiter Schuß mich um wie einen Kegel. Mir war es, wie wenn ich in die Luft flöge, dann fiel ich mitten im Sprung hin und lag eine halbe Minute ganz dösig da; und dann merkte ich, daß meine Hände leer waren: Mein Gewehr war mir über den Kopf geflogen, als ich stürzte. Man wird verdammt hellwach, wenn man in so einer Klemme ist wie ich in dem Augenblick. Ich wußte kaum, wo ich getroffen war, ob ich überhaupt getroffen war oder nicht – aber ich warf mich im Nu herum auf den Bauch, um zu meiner Waffe zu kriechen. Wenn Sie's noch nicht versucht haben, mit einem zerschossenen Bein zu kriechen, dann wissen Sie nicht, was Schmerz ist! Na, ich brüllte wie ein Ochse!
    Das war das unglücklichste Geräusch, das ich in meinem ganzen Leben gemacht habe. Bis dahin war Uma unter ihrem Baum geblieben, als ein vernünftiges Weib, das genau wußte, es würde mir nur im Wege sein; aber sobald sie mich brüllen hörte, rannte sie vorwärts, die Winchester krachte wieder – und da lag Uma.
    Ich hatte mich, trotz Bein und allem, aufgerichtet, um sie anzuhalten; aber als ich sie purzeln sah, da klappte ich auf meinem Fleck zusammen, lag still und fühlte nach meinem Messergriff. Ich hatte es vorhin zu eilig gehabt, und dabei hatte Case mich erwischt. Das war nun vorbei. Er hatte mir meine Frau niedergeknallt, dafür mußte er mir nun heran! Und so lag ich da und knirschte mit den Zähnen und überlegte mir, wie die Aussichten standen. Mein Bein war kaputt, mein Gewehr war futsch. Case hatte noch zehn Schüsse in seiner Winchester. Die Sache sah ziemlich hoffnungslos für mich aus. Aber ich dachte nicht einen Augenblick an Verzweifeln, sondern bloß: der Mann muß heran.
    Für eine nette Weile rührte sich keiner von uns beiden. Dann hörte ich, wie Case sich im Busch näher heranbewegte, aber mächtig vorsichtig. Das Götzenbild war ausgebrannt; nur hier und dort lagen noch ein paar Kohlen herum, und der Wald war eigentlich wieder dunkel, bloß ein ganz schwaches Glühen war noch drin, wie in einem Feuer, das in den letzten Zügen liegt. Bei diesem Schimmer erspähte ich Cases Kopf, wie er über einen großen Farnstrauch nach mir Ausschau hielt, und in demselben Augenblick sah der Kerl mich und legte seine Winchester an. Ich lag ganz still und sah sozusagen in den Lauf seines Gewehres hinein – das war die letzte Möglichkeit für mich. Aber ich dachte dabei, mein Herz hätte mir die Brust zersprengt. Dann feuerte er; zu meinem Glück war es kein Schrotgewehr; denn die Kugel schlug einen Zoll vor mir ein, daß mir die Erde in die Augen spritzte.
    Versuchen Sie bloß mal, ob Sie still liegen können, wenn einer im Sitzen auf Sie schießt und um ein Haarbreit vorbeitrifft. Aber ich lag still, und das war mein Glück. Eine Weile stand Case mit der Winchester im Anschlag; dann lachte er ein bißchen vor sich hin und kam hinter dem Farnbusch heraus.
    »Lach du nur!« dachte ich. »Wenn du nur so klug wärst wie eine Maus, würdest du beten!«
    Es ging um mein Leben. Sobald er in Griffweite kam, hatte ich ihn am Enkel, riß ihm das rechte Bein unter dem Leibe weg, legte ihn auf den Rücken und war, trotz meinem kaputten Bein, auf ihm, bevor er nur schnaufen konnte. Seine Winchester war denselben Weg geflogen wie meine Schrotflinte; mir war's einerlei; – nun hatte ich ihn! Ich bin überhaupt ein ziemlich starker Mann; aber ich hatte nie gewußt, was Stärke ist, bis zu diesem Augenblick, als ich Meister Case in meinen Fäusten hatte. Er hatte durch den Ruck, womit er geflogen war, halb die Besinnung verloren und warf beide Hände auf einmal hoch, beinahe wie ein Weib, das Angst hat; so packte ich sie alle beide mit meiner Linken. Das weckte ihn auf, und er schlug seine Zähne in meinen Unterarm wie ein Wiesel. War mir schnuppe. Mein Bein tat mir so weh, wie ich's nur verlangen konnte, auf ein bißchen mehr Schmerzen kam's nicht an, und ich zog mein Messer und setzte es ihm auf die Brust.
    »So!« sagte ich. »Nun hab' ich dich! Mit dir ist's aus, und 's ist nicht schade drum! Fühlst du die Spitze? Dies ist für
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