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Der Strand von Falesa

Der Strand von Falesa

Titel: Der Strand von Falesa
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Tag erzählt hatte, er sei ein guter Fälscher von Inselmerkwürdigkeiten – ein Geschäft, womit so mancher Händler sich einen anständigen Schilling extra verdient. Und da war mir denn die ganze Geschichte klar, und ich begriff, wie der Mann mit dieser Puppengalerie einen doppelten Zweck erreichte: Vor allen Dingen wurden seine Kuriositäten verwittert, außerdem ängstigte er damit die Kanaken, die ihn besuchen kamen.
    Noch sonderbarer war dabei, daß während der ganzen Zeit rund um mich herum die Tirolerharfen auf den Bäumen sangen, und während ich noch dastand und guckte, kam ein grün und gelber Vogel – ich denke mir, er war beim Nestbauen – und begann von einer der Puppen Haare auszurupfen.
    Ein Stück weiter hinten fand ich die Hauptmerkwürdigkeit des Museums. Das erste, was ich davon sah, war ein länglicher Erdhügel, aus dem ein Strick hervorsah. Ich räumte mit meinen Händen die Erde ab und fand darunter geteertes Segeltuch, das über Bretter gebreitet war, so daß dies also offenbar die Decke eines Kellers war. Ich stand mitten auf dem Erdhügel, und der Eingang war auf der andern Seite, zwischen zwei Felsen, wie der Eingang zu einem Keller. Ich ging hinein, bis ich an eine Krümmung kam, und als ich um die Ecke guckte, sah ich ein leuchtendes Gesicht. Es war groß und häßlich wie eine Pantomimenmaske, und die Helligkeit war manchmal größer, manchmal kleiner, und manchmal ging ein Rauch davon aus.
    »Aha!« rief ich. »Leuchtfarbe!«
    Und ich muß sagen, ich bewunderte eigentlich, wie erfindungsreich der Mann war. Mit einem Werkzeugkasten und ein paar ganz einfachen Vorrichtungen hatte er ein verteufeltes Ding von einem Tempel fertiggebracht. Jeder arme Kanake, den er in der Dunkelheit hier heraufbrachte, wo rund um ihn herum die Harfen winselten, und dem er dieses qualmende, leuchtende Gesicht hinten in einer Höhle zeigte, mußte felsenfest überzeugt sein, daß er für sein ganzes Leben lang genug Teufel gehört und gesehen hätte. Was Kanaken denken, kann man sich leicht vorstellen. Gehen Sie in die Zeit zurück, als Sie selber so zehn bis fünfzehn Jahre alt waren, und Sie haben einen Durchschnittskanaken. Manche Kanaken sind fromm, gerade so, wie es auch fromme Knaben gibt; die meisten von ihnen sind, ebenfalls wieder wie Knaben, mittelmäßig ehrlich und halten es eigentlich doch mehr bloß für einen Spaß, wenn sie mal stehlen; sie sind leicht in Angst zu setzen und haben eigentlich ganz gerne mal Angst. Ich erinnere mich aus meiner Schulzeit zu Hause eines Jungen, der auch so etwas Ähnliches hatte wie Case mit seinem Götzentempel. Wissen tat er nichts, der Junge; machen konnte er auch nichts; er hatte keine Leuchtfarbe und keine Tirolerharfen; er sagte nur einfach ganz frech, er sei ein Hexenmeister, und wir fuhren vor Angst aus unseren Stiefeln und fanden das wonnig! Und dann erinnere ich mich ferner, wie der Schulmeister den Jungen geprügelt hatte und wie überrascht wir alle waren, daß der Hexenmeister seine Prügel hinnahm und brüllte, wie wir andern alle. Da dachte ich so bei mir selber: »Ich möchte auf irgendeine Weise es mit dem Meister Case ebenso machen.« Und im nächsten Augenblick kam mir ein Gedanke.
    Ich ging den Fußweg zurück, der, wenn man ihn einmal gefunden hat, ganz deutlich zu sehen und leicht zu begehen war; und als ich auf den schwarzen Sand hinaustrat, wen sah ich da? Meister Case selbst! Ich spannte mein Gewehr und hielt es schußfertig, und wir beide gingen vorwärts und kamen aneinander vorbei, ohne ein Wort zu sagen, aber jeder guckte aus dem Augenwinkel auf den anderen. Und kaum waren wir aneinander vorüber, so machten wir beide auf dem Absatz kehrt, wie Soldaten beim Exerzieren, und standen Gesicht zu Gesicht. Na, wir hatten natürlich beide denselben Gedanken, nämlich, daß einer dem anderen seine Ladung in den Rücken feuern würde.
    »Sie haben wohl heute nichts geschossen«, sagt Case.
    »Ich bin heute nicht auf Schießen aus«, entgegne ich.
    »Na, meinetwegen kann Sie der Teufel holen!« sagt er.
    »Danke, gleichfalls!« erwidere ich.
    Aber dabei blieben wir beide auf dem Fleck stehen; kein Gedanke daran, daß einer von uns sich rührte.
    Case lachte und sagte:
    »Wir können ja doch nicht hier den ganzen Tag stehenbleiben!«
    »Lassen Sie sich durch mich nicht aufhalten!« sage ich.
    Er lacht wieder und fragt: »Hören Sie mal, Wiltshire, halten Sie mich für einen Dummkopf?«
    »Mehr für einen Schuft, wenn Sie es gerne wissen
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