Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Strand von Falesa

Der Strand von Falesa

Titel: Der Strand von Falesa
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
die Vorstellung von etwas Viereckigem, das lebendig wäre und sänge, machte mich ganz dumm und dösig. Ich muß eine ganze Weile still gestanden haben; ich war ganz sicher, daß das Singen aus dem Baum gerade vor mir gekommen war. Endlich kam ich wieder zu mir selber und sagte zu mir:
    »Na, wenn es wirklich so ist, dann ist dies ein Ort, wo es viereckige Dinge gibt, die singen. Ich bin nun einmal hier, so will ich auch für mein Geld meinen Spaß haben!«
    Aber ich dachte, ich könnte ebensogut einmal versuchen, ob nicht außerdem ein Gebet gut sein könnte; so fiel ich denn auf meine Knie und betete laut; und während der ganzen Zeit, da ich betete, kamen die merkwürdigen Töne aus dem Baum heraus und schwollen an und sanken wieder und wechselten, gerade wie Musik – nur daß es offenbar nicht menschlich war, denn es war keine Melodie, die man hätte pfeifen können.
    Sobald ich fertig gebetet hatte, wie es sich gehörte, legte ich mein Gewehr auf den Boden, nahm mein Messer zwischen die Zähne, ging gerade auf den Baum los und fing an hinaufzuklettern. Ich sage Ihnen, mein Herz war wie Eis. Aber plötzlich, als ich so hinaufstieg, erhaschte ich wieder einen Anblick von dem Ding, und das gab mir Erleichterung, denn ich dachte, es sähe aus wie eine Kiste, und als ich nun heran war, da wäre ich vor Lachen beinahe vom Baum gefallen.
    Eine Kiste war es, ganz gewiß, und zwar eine Kerzenkiste mit der eingebrannten Marke auf der einen Seite, und Banjosaiten waren über die Öffnung gespannt, so daß sie klangen, wenn der Wind wehte. Ich glaubte, man nennt das Ding eine Tirolerharfe – was das nun immer sein mag.
    »Na, Herr Case«, sagte ich, »du hast mir einmal Angst gemacht, aber nun komm nur her, und versuche mir noch mal Angst zu machen!« sage ich, und damit rutsche ich vom Baum 'runter und mache mich wieder auf den Weg, um meines Feindes Hauptquartier aufzusuchen; ich dachte mir, das werde wohl nicht sehr weit entfernt sein.
    Das Unterholz war an dieser Stelle sehr dicht; ich konnte nicht weiter sehen, als meine Nase lang war, und mußte mir mit Gewalt einen Weg bahnen, indem ich mit meinem Messer die Lianenstengel durchschnitt, und dabei zerhieb ich ganze Bäume mit einem Streich. Bäume nenne ich sie wegen ihrer Dicke, aber in Wirklichkeit waren sie nur dicke Stengel, so saftig, daß man sie wie eine Mohrrübe schneiden konnte. Nach der Art des Pflanzenwuchses, den ich da so sah, dachte ich bei mir selber, die Stelle möchte wohl früher einmal gelichtet worden sein, da stieß ich mit der Nase gegen einen Steinhaufen und sah sofort, daß das Menschenarbeit sein müßte. Gott weiß, wann dies Gebäude gemacht und wann es verlassen wurde, denn lange bevor die Weißen kamen, war dieser Teil der Insel schon nicht mehr betreten worden. Ein paar Schritte von diesem Steinhaufen traf ich auf den Pfad, nach dem ich die ganze Zeit ausgeguckt hatte. Er war schmal, aber gut ausgetreten, und ich sah, daß Case viele Jünger haben mußte. Es war in der Tat scheint's Mode, den Kühnen zu spielen und sich mit dem Händler hier hinaufzuwagen, und ein Jüngling hält sich kaum für erwachsen, bis er erstens sich seinen Hinteren hat tätowieren und zweitens Cases Teufel gesehen hat. Das sieht Kanaken mächtig ähnlich; aber wenn man sich die Sache näher ansieht, sieht es auch Weißen sehr ähnlich.
    Als ich den Fußweg ein Stückchen entlanggegangen war, mußte ich stillstehen und mir die Augen reiben. Vor mir war ein Wall mit einer Lücke, durch die der Pfad ging; der Wall war verfallen und offenbar sehr alt, aber er war aus großen Steinen erbaut, die sehr sorgfältig aufeinandergelegt waren, und auf dieser Insel lebt heutzutage kein Kanake mehr, dem es auch nur im Traum einfallen könnte, so etwas bauen zu wollen. Oben auf dieser Mauer war eine ganze Reihe von merkwürdigen Figuren – Götzenbilder oder Vogelscheuchen oder Gott weiß was sonst. Sie hatten geschnitzte und gemalte Gesichter, greulich anzusehen; ihre Augen und Zähne waren aus Muscheln gemacht, ihre Haare und ihre bunten Kleider flatterten im Winde, und an einem von ihnen befanden sich Strippen zum Ziehen.
    Nach Westen zu sind Inseln, wo solche Figuren noch jetzt hergestellt werden; aber auf dieser Insel ist, wenn überhaupt jemals welche gemacht worden sind, sogar die Erinnerung daran längst geschwunden. Und das Merkwürdige daran war, alle diese Schreckgestalten waren so neu wie Puppen aus einem Laden.
    Da fiel mir ein, daß Case mir gleich am ersten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher