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Der stille Schrei der Toten

Der stille Schrei der Toten

Titel: Der stille Schrei der Toten
Autoren: Linda Ladd
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war ich für Morde und Überfälle in Los Angeles zuständig, für Mord und Totschlag auf kalifornische Art. Von daher war ein gemächliches Leben mit gestohlenen Gartenzwergen der Hauptgrund für mich, in den Mittleren Westen abzutauchen.
    Mein Herzschlag beschleunigte sich, denn Mord bleibt nun mal Mord. Ich setzte mich auf die Kante meiner Couch. Ich schlafe häufig auf der Couch, weil ich sonst kaum zum Schlafen komme, und richtete meine verquollenen Augen auf den Bootssteg vor meinem kleinen Häuschen mit seinen bis zur Erde geneigten Dachflächen. Die Bucht lag still und ruhig, das dunkelgrüne Wasser plätscherte sanft an dunkelgrün bewaldete Uferzonen. Der Himmel versuchte wie an jedem Morgen pünktlich zu ergrauen, der See hingegen hatte seine Nebeldecke hochgezogen und raunte vor sich hin: »Noch nicht, noch nicht, lass mich bitte noch schlafen, nur zehn Minuten.«
    »Und stell dir vor, Claire, du ahnst es nicht!« Ich fühlte mich nicht zu derlei Ratespielchen aufgelegt, aber die Frage war ohnehin rein rhetorisch. In der Zentrale saß eine Aushilfe namens Jacqueline, kurz Jacqee, was schon alles sagt. Andererseits ist sie die jüngste und flatterhafteste von vier Töchtern des Sheriffs. Sie verbrachte die College-Sommerferien zu Hause, und ich vermute mal, eine Neunzehnjährige mit dem Hauptfach Modedesign hatte ihren Spaß daran, am frühen Morgen Ratespielchen mit Polizistinnen zu veranstalten. Jacqee also fuhr fort, weiterhin völlig überdreht. »Eine Hollywoodberühmtheit. Kannst du dir das vorstellen? Hör mal, ein richtiger Star, live hier bei uns am See und tot!«
    Allmählich fragte ich mich, was Jacqee da wohl geraucht hatte auf der Wache. »Okay, Jacqee, ich bin jetzt bereit. Beruhige dich und sag mir, wann und wo.«
    »Cedar Bend Lodge.«
    »Du lieber Himmel.« Jetzt nahm ich ihr das mit der Berühmtheit ab. Cedar Bend Lodge war die einzige Topadresse an der eintausendfünfhundert Meilen langen gebirgigen und zerklüfteten Uferlinie des Sees. Und was noch schlimmer war, dieses Luxusetablissement für Reiche gehörte dem weltberühmten Psychoschwätzer Nicholas Black. Natürlich hatte ich noch nicht die Ehre gehabt, den gut aussehenden und aalglatten Dr. Black persönlich kennenzulernen, aber angeblich trug er die Nase noch höher als seine glamourösen Hollywood-Patienten. Kurz gesagt: Ich hatte überhaupt keine Lust, mit ihm irgendetwas zu tun zu haben.
    »Du musst Bud Davis anrufen. Ist die Polizei schon vor Ort?«
    »Mm-hmm. O’Hara. Sie hat gerade Dienst.«
    »Weiß Charlie von der Sache?« Ich hatte den Eindruck, ich müsste Jacqee erst einmal erklären, wie der Laden läuft. Die befasste sich doch sonst mit Saumlängen und dem Schnitt von Folkloreblusen.
    »Daddy musste gestern Abend nach Jeff City. Er hat was zu bequatschen mit dem Gouverneur und diesen Typen.«
    Oh, mit denen.
    »Alles klar, ich bin unterwegs«, sagte ich und dann fiel mir ein, wen ich da an der Strippe hatte. »Hör zu, Jacqee, du behältst die Sache für dich, verstanden? Absolut. Vor allem die Presse darf kein Wort erfahren. Ist das klar?« Eigentlich selbstverständlich, ja, aber man wusste ja nie bei einer Jacqee mit Doppel-E am Ende.
    »Ey, du glaubst wohl, ich bin ganz blöd, oder was?« Ja, Jacqee, das bist du, und noch viel mehr. Die Leitung war unterbrochen. Wahrscheinlich fühlte sich die Modespezialistin jetzt vor den Kopf gestoßen, aber in dem war sowieso nicht allzu viel drin. Nun denn.
    Ich nahm meine übliche Zehn-Sekunden-Dusche, kämmte mir mein kurzes Blondhaar nass aus der Stirn, schlüpfte in ein schwarzes T-Shirt und Jeans und in meine knöchelhohen Nikes, legte das Schulterhalfter inklusive meiner 9 mm Glock an und befestigte mein Abzeichen am Gürtel. In exakt zwei Minuten war die ermittelnde Beamtin startklar.
    Der Ozarks-See, ein künstlicher Stausee, war 1931 mit dem Bau der Bagnell-Staumauer entstanden und nach mehr als siebzig Jahren beeindruckend wie eh und je. Ich überquerte das imposante Bauwerk in meinem Auto, die Fenster hatte ich heruntergelassen, um dem Koffeinentzug entgegenzuwirken. Nicholas Blacks Erholungszentrum für Reiche lag an einer besonders gefragten Ecke im Süden der Halbinsel Horseshoe Bend, und ich drückte auf der Fahrt über die gewundene Küstenstraße mächtig aufs Gas. Wenige Tage später sollte die Cedar-Bend-Regatta beginnen, und Ströme von Touristen würden sich in die Julihitze ergießen, um dem Ereignis beizuwohnen. Das hatte uns gerade noch gefehlt. Ein
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