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Der Stern von Yucatan

Der Stern von Yucatan

Titel: Der Stern von Yucatan
Autoren: Debbie Macomber
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miteinander geschlafen hatten. Ginny war noch unberührt gewesen. Obwohl er selbst reichlich Erfahrung gehabt hatte, war ihm an diesem Nachmittag klar geworden, dass er zum ersten Mal wirklich geliebt hatte. Die Ehrlichkeit dieser Liebe hatte ihn für immer verändert.
    Er wollte sie heiraten, was nichts mit Anstand und Moral, aber alles mit seinem Herzen zu tun hatte. Sie trafen sich jeden Tag nach den Vorlesungen und gingen verrückte Risiken ein, um in seinem Zimmer oder ihrem zusammen sein zu können. Nachdem sie einmal miteinander geschlafen hatten, konnten sie nicht mehr darauf verzichten. Das gegenseitige Verlangen überlagerte alle Vernunft.
    Er merkte lange vor Ginny, dass sie schwanger war. Als gute Katholikin hatte sie keine Verhütung betreiben wollen. Der Himmel wusste, er hatte wirklich versucht, sie nicht zu schwängern … doch Ginny umschlang ihn mit den Beinen, dass es ihn schier um den Verstand brachte. Und sie verhinderte, dass er sich rechtzeitig zurückzog. Gerade so, als hätte sie es darauf angelegt, dass es passierte.
    Zu der Zeit mietete er ein Zweizimmerapartment abseits vom Campus. Ihr einziges Möbelstück war eine abgewetzte Matratze in einer Ecke. Das Kochen erledigten sie auf einer einzelnen Platte. Der Mangel an materiellen Dingen kümmerte sie jedoch wenig. Sie waren zu verliebt, sich deshalb Sorgen zu machen.
    Ginnys konservative Familie war entsetzt über die äußerlichen Veränderungen an ihr, als sie in den Ferien mit ihm im Schlepp heimgekommen war. Ginnys Haar hatte bis zur Taille gereicht, und ihre Kleidung bestand aus weiten Blusen, bunten langen Baumwollröcken und Sandalen. Ihre Eltern mochten ihn nicht, umso weniger, als sie erfuhren, dass er ihre mit Auszeichnung von der Schule gegangene Tochter geschwängert hatte. Es überraschte ihn nicht, dass sie entschieden gegen eine Heirat waren. Zu den Dingen, die ihn in den folgenden Jahren belasteten, gehörte, dass er einen Keil zwischen Ginny und ihre Familie getrieben hatte.
    Sie schrieben sich ihre Ehegelübde selbst, und auf Ginnys Drängen fanden sie einen mitfühlenden Priester, der die Zeremonie vollzog. Ihr Liebesleben war schon vorher wunderschön gewesen, doch nach der Heirat wurde es unglaublich.
    Da er eine Frau zu versorgen hatte und ein Baby unterwegs war, sah er sich gezwungen, das College zu verlassen und eine Ganztagsstellung zu finden. Er hatte mal mit Medizin als beruflicher Laufbahn geliebäugelt, doch das war von Anfang an ein unwahrscheinlicher Traum gewesen. Sie wussten das beide. Außerdem hätte er das Medizinstudium nur mit einem Stipendium durchziehen können, und seine Noten waren schlechter geworden, seit er mit Ginny zusammen war. Trotzdem hätte er seine Ehe nicht gegen ein Vollstipendium an der besten medizinischen Fakultät des Landes eingetauscht.
    Obwohl sie unter der Armutsgrenze lebten, waren sie rundum glücklich. Bei Lorraines Geburt war er so lange bei Ginny geblieben, wie der Doktor es gestattete. Es war die reine Hölle gewesen, sie im Kreißsaal allein zu lassen. Als die Schwester herauskam und ihm sagte, er habe eine Tochter, war er vor Glück in Freudentränen ausgebrochen.
    Zwei Tage, nachdem Lorraine aus dem Krankenhaus gekommen war, ging er ins Rekrutierungsbüro der U.S.-Army, um in die Armee einzutreten. Es war nicht das, was er wollte, aber ihm blieb keine Wahl. Als er die Uniform anzog, hatte er keinen blassen Schimmer, was er verlieren würde.
    Sein Albtraum handelte von Vietnam. Immer wieder erlebte er jenen Tag, als er David Williams in einem blutgetränkten Reisfeld gehalten und ihm beim Sterben zugesehen hatte. Er hatte nichts tun können, außer in Qualen zu schreien.
    Er hatte Ginny von David geschrieben, doch Worte waren nicht genug, seinen Verlust auszudrücken. An jenem Tag war mehr als ein Freund gestorben. Ein Teil von Thomas Dancy war ebenfalls gestorben. Der junge Mann, der er gewesen war, der unschuldige Einundzwanzigjährige, der an die Macht der Liebe und der Güte glaubte, war ebenfalls auf diesem Reisfeld verblutet.
    Er war in den Krieg gezogen als Junge, der versuchte, seine Familie zu ernähren, ohne zu ahnen, wie der Krieg einen Menschen veränderte. Nur Ginnys Liebe hatte ihm später geholfen, die Hässlichkeit jener langen Monate in Vietnam zu überwinden. In der Hälfte seiner Dienstzeit nutzte er einen Urlaub von der Truppe in Hawaii, um zu desertieren, und kehrte nie mehr in den Krieg zurück. Er verachtete, was aus ihm geworden war.
    Die Army
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