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Der Stern von Yucatan

Der Stern von Yucatan

Titel: Der Stern von Yucatan
Autoren: Debbie Macomber
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hat.”
    Gary starrte in die Ferne, als bereite es ihm Mühe, ihre Worte zu begreifen. “Versteh mich jetzt bitte nicht falsch, aber hast du schon mal daran gedacht, dich an einen Berater zu wenden?”, fragte er vorsichtig und riskierte es, sie anzusehen.
    “Du meinst, einen Psychiater?”
    “Äh … ja.”
    Lorraine konnte nicht anders, sie brach in Gelächter aus. “Du denkst, ich wäre durchgeknallt, ich wäre nicht mehr ganz bei Sinnen?” Als ihr Gelächter in ein Kichern überwechselte, begann sie sich zu fragen, ob er nicht vielleicht recht hatte. Das schmerzliche Gefühl, verraten worden zu sein, drohte sie manchmal zu ersticken. Dass ihre Eltern, besonders ihre Mutter, ihr eine Lebenslüge aufgetischt hatte, war unbegreiflich.
    “Ich weiß, wie schwierig das für dich ist”, fügte Gary hinzu. “Ich versuche, das zu verstehen, und ich weiß, deine Arbeitgeber tun das auch. Aber es gibt eine Grenze für ihr Entgegenkommen.”
    “Ich bin deiner Meinung.”
    Garys Blick verriet seinen Argwohn. “Du bist meiner Meinung?”
    “Ich lasse mich für den nächsten Monat freistellen.”
    “Einen Monat lang?” Sie sah, wie erschrocken er von dieser Ankündigung war. “So lange? Ich dachte, ein oder zwei Wochen wären ausreichend, findest du nicht?”
    “Nicht für das, was ich vorhabe.”
    “Ich dachte, wir wären übereingekommen, unsere Ferienzeit für die Flitterwochen aufzusparen und …” Er brach mitten im Satz ab und betrachtete sie aus leicht verengten Augen. “Was du vorhast? Du hast etwas vor?”
    “Ich werde zu meinem Vater reisen.”
    Es dauerte einige Zeit, bevor er wieder sprechen konnte. “Wann?”
    “Mein Flug geht um sieben Uhr am Dienstagmorgen.”
    Gary starrte sie an, als würde er sie nicht wiedererkennen. “Wann hast du das beschlossen?” Seine Stimme klang sehr ruhig, was Lorraine als Signal für Verärgerung erkannte.
    “Letzte Woche.” Als sie das Ticket gekauft hatte, war ihr klar gewesen, dass Gary nicht einverstanden sein würde. Das war einer der Gründe, warum sie ihre Pläne nicht mit ihm besprochen hatte.
    “Verstehe”, sagte er im Tonfall eines verletzten kleinen Jungen. Er griff nach seinem Kaffeebecher und trank einen kräftigen Schluck.
    “Ich habe mit der Schule telefoniert, an der er unterrichtet und mit der Sekretärin gesprochen.” Die Unterhaltung war schwierig verlaufen, aber das Schulenglisch der Sekretärin war bei Weitem besser gewesen als ihr High-School-Spanisch.
    Garys Schweigen war beredt. Trotzdem erklärte Lorraine ihm weitere Einzelheiten in der Hoffnung, die Wogen zu glätten, ehe sie nach Mexiko abflog. Sie wollte Gary weder geringschätzig behandeln noch verletzen, aber sie musste ihren Vater aufsuchen und von Angesicht zu Angesicht mit ihm reden. Sie musste herausfinden, was ihn und ihre Mutter auseinandergetrieben hatte und warum ihre Eltern sie in dem Glauben gelassen hatten, er sei tot. Es musste eine logische Erklärung für diese Lüge geben – zumindest hoffte sie das. Von allen Gefühlen, die ihr Vater in dem Brief offenbart hatte, war das stärkste Liebe gewesen, sowohl zu ihr wie zu ihrer Mutter. Und all die Jahre hatte man sie um diese Liebe betrogen. Warum?
    “Hast du mit deinem Vater gesprochen?”, fragte Gary mit emotionsloser Stimme.
    Sie zögerte mit der Antwort, weil Gary offenkundig gegen ihr Vorhaben war. “Nicht direkt.”
    “Verstehe.”
    “Die Telefonnummer gehört zu der Schule, an der er unterrichtet.”
    “Das habe ich verstanden.” Er klang jetzt nur noch resigniert.
    “Als ich anrief, war er im Unterricht”, fügte sie hinzu. Das erklärte doch alles. “Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen. Er kennt meine Flugnummer und weiß, wann ich ankomme. Ich habe ihn gebeten, mich am Flughafen abzuholen.”
    “Dann hat er zurückgerufen?”
    Sie zögerte wieder. “Nicht direkt.”
    Gary schnaubte. “Es ist eine simple Frage, Lorraine. Entweder er hat angerufen oder nicht.”
    Diese Unterhaltung lief von Anfang an schief. “Mir gefällt dein Ton nicht, Gary. Ich hatte gehofft, du würdest mich unterstützen.”
    Er atmete in einem lang gezogenen Seufzer aus. “Ich hätte mir einfach gewünscht, du hättest diese Sache vorher mit mir besprochen.”
    “Tut mir leid.” Das war glatt gelogen. “Mir ist klar, dass es dir gegenüber nicht fair ist, aber ich muss einfach herausfinden, was zwischen meinen Eltern schiefgelaufen ist. Mein Vater lebt, und ich möchte eine Chance haben, ihn kennen zu lernen.
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