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Der sterbende Stern

Der sterbende Stern

Titel: Der sterbende Stern
Autoren: Leigh Brackett
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ließ, die das Zwielicht verschluckt hatte. Am Himmel erschienen die ersten zuckenden Bänder des Nordlichtes.
    Stark lief so gleichmäßig wie möglich, behielt die Dampf Schwaden im Auge, die über den heißen Quellen standen, die er vom hohen Ausguck gesehen hatte. Der Wind zerrte an ihm, schlug wie mit Hämmern auf ihn ein. Er schickte Schneewirbel auf ihn los, die er mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden liegend über sich ergehen lassen mußte, bis sich der Schneestaub verzogen hatte. Manchmal mischte der Wind den feinen Schnee so geschickt mit den Dampfwolken, daß nichts mehr zu sehen war. Ein paarmal blieb Stark stehen, weil er vor sich eine Leere und unter den Füßen ein Zittern spürte, und sah dann vor sich ein dunkles Loch gähnen, das ihn verschlingen wollte.
    Die Erosionsgräben waren nicht so gefährlich. Sie waren nicht sehr tief. Wind und Schnee hatten die Ränder abgeschliffen. Trotzdem bewegte sich Stark vorsichtig, wenn er einen zu durchqueren hatte. Ein Absturz hier in der Wildnis würde bedeuten, daß die Nordhunde um ihr Vergnügen kommen würden.
    Er war auf seltsame Art glücklich. Das Ende der Reise lag vor ihm, und er war frei und ungehindert. Er konnte Körper und Geist bis zur Grenze beanspruchen und brauchte keine Rücksicht mehr auf andere zu nehmen. Der Kampf gegen Kälte und Wind und gefährliches Gelände war frei von Gedanken, Idealen, Glauben und menschlicher Bösartigkeit. Er war im Augenblick weniger Erick John Stark als N’Chaka, ein wildes Tier, das sich in der Wildnis zu Hause fühlte.
    Er ließ den Blick ständig hin und her schweifen, achtete nur darauf, ob sich ein Schatten bewegte oder ruhig blieb.
    Zweimal brachte ihm der Wind eine Ahnung eines Geruchs, der mit Schnee und gefrorenem Boden nichts zu tun hatte.
    Das Nordlicht zuckte und tanzte. Der Schnee schien bis zu den leuchtenden Bändern empor zu wirbeln. Dampf schoß links, dann wieder rechts aus dem Boden in die Luft, schimmerte, trieb fort, löste sich auf. Manchmal meinte er undeutlich weiße Schatten in Dampf und Schnee auf ihn lauern zu sehen. Lange Zeit war er sich nicht sicher.
    Dann kam der Punkt, an dem es keine Zweifel mehr gab.
    Er verließ mit vorsichtigen Schritten eine Dampf- und Schneewolke, sah die ansteigende Ebene hinauf und erblickte ein großes weißes Wesen, das in einiger Entfernung vor ihm stand und ihn beobachtete.
    Stark blieb stehen. Das Wesen sah ihn weiter an. Dann berührte ein kalter Tiergedanke seinen Geist und sagte: Ich bin Flay.
    Er war groß. Sein Rücken reichte bis in die Höhe von Starks Schultern. Sein Widerrist war hoch und kraftvoll. Der feste Hals senkte sich unter dem Gewicht des massiven Kopfes. Stark sah die Augen, die unnatürlich hell waren, die breite, schwere Schnauze und die Reißzähne scharf wie Messer.
    Flay streckte ein dickes Vorderbein vor und zeigte die Tigerkrallen. Er riß fünf Rinnen in den gefrorenen Boden und ließ lächelnd die rote Zunge aus dem Maul hängen.
    Ich bin Flay.
    Die hellen Augen eines höllischen Hundes.
    Stark wurde von panischer Angst geschüttelt. Sie schwächte ihm die Muskeln, warf ihn hilflos vor kalter Übelkeit auf den Boden. In seinem Kopf ein stummer Schrei.
    Ich bin Flay.
    Und auf diese Art töten sie, dachte Stark mit den letzten Resten seines Verstandes. Angst. Ein Strahl Angst, tödlich wie ein Geschoß. Sie waren für diese Art des Tötens gezüchtet worden. Größe, Reißzähne und Krallen waren nur Tarnung. Sie töteten mit ihrem Geist.
    Er konnte das Messer nicht ziehen.
    Flay schlenderte auf ihn zu. Und jetzt kamen weitere Schatten in Sicht, das Rudel, sechs, zehn, ein Dutzend, springend und rennend. Er konnte sie nicht zählen.
    Angst.
    Angst wie Krankheit, eine dunkle Woge, die ihn überrollte und ihm Sicht und Hörvermögen raubte, ihm Verstand und Willenskraft brach.
    Nie würde er die Zitadelle erreichen, nie mehr Gerrith wiedersehen. Flay würde ihn dem Rudel überlassen, und es würde mit ihm spielen, bis er tot war.
    Ich bin Flay, sprach der kalte Tiergeist, und die roten Lefzen lachten. Riesige Pfoten stapften stumm durch den Schnee.
    Tief unter der dunklen Masse der Angst, die allen menschlichen Mut vernichtete, erhob sich ein anderer Geist. Kalter Tiergeist, der nicht dachte oder berechnete, lebendiger Geist, der verzweifelt leben wollte, Geist, der sich als Muskel und Knochen fühlte, als Hunger und Kälte, als Schmerz, der zu ertragen war, als Angst, die ausgehalten werden mußte. Angst ist Leben, Angst
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