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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger
Autoren: Thomas Jeier
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und kehrten zum Ufer zurück. Ihr Boot war unversehrt, lag immer noch bäuchlings im Uferschilf. Sie drehten es auf den Kiel, befestigten den Mast wieder mit Holzkeilen und richteten das Segel aus. Mit vereinten Kräften schoben sie es ins Wasser. Der See wirkte gespenstisch im treibenden Nebel, und auf den Wellen waren noch Schaumkronen, aber das Schlimmste war vorüber. Wenn sie nahe genug am Ufer dahinsegelten, hatten sie nichts mehr zu befürchten.
    An der Nordküste des aufgewühlten Sees entlang segelten sie nach Westen. Aus dem strömenden Regen war das vertraute Nieseln geworden, das sie kaum noch störte. Der Wind hatte leicht gedreht und traf schräg auf das Segel, sodass sie sich in einem stetigen Zickzackkurs ihrem unsichtbaren Ziel entgegenbewegten. Selbst wenn sie dicht am Ufer segelten, war es nur schemenhaft zu erkennen.
    Vor der schmalen Durchfahrt in einen weiteren See, dessen jenseitiges Ufer ebenfalls nicht zu sehen war, tauchte plötzlich ein dunkles Monstrum aus dem Dunst. Nur wenige Bootslängen vor ihnen, so nahe, dass sie es beinahe schon berühren konnten, ragten die Überreste von Ivars Schiff ins Wasser. Das Wrack, dessen hinterer Teil fast vollkommen zerstört war, hing zur Hälfte auf dem felsigen Ufer wie ein gestrandeter Wal, den ein Unwetter zum Sterben an Land getrieben hatte. Am abgeknickten Mast hing das blutrote Segel in Fetzen.
    Hakon griff blitzschnell zum Ruderblatt und schaffte es gerade noch, ihr kleines Boot zur Seite zu steuern und einen Zusammenstoß zu vermeiden. Sie fanden eine flache Stelle und sprangen an Land, zogen ihr Boot auf die Felsen.
    Noch im Sprung zog Hakon sein Schwert aus der Schlinge. Edwin griff nach seiner Kriegsaxt. Geduckt standen sie auf den Uferfelsen, den Blick auf das Wrack gerichtet, das mit voller Wucht auf die Felsen geprallt sein musste.
    Zögernd näherten sie sich dem Wrack, jeden Augenblick mit einem Angriff der Überlebenden rechnend. Doch nichts geschah. Sie erreichten ungehindert das zerstörte Schiff und blickten über die Reling, sahen die Leichen zahlreicher Männer an Deck liegen. Einige der Krieger hielten ihre Schwerter in den Händen, als hätten sie damit den tosenden Sturm bekämpft. Ivar der Einarmige war nicht unter den Toten. Das Wasser verfärbte sich jedes Mal blutrot, wenn es der Wind über die leblosen Körper schwappen ließ.
    Hakon wollte gerade über das eingebrochene Schanzkleid klettern, als er hinter sich ein Geräusch hörte. Er fuhr herum, sah einen wütenden Nordmann aus dem Wald stürmen und sprang gerade noch rechtzeitig zur Seite. Der Angreifer prallte gegen das Wrack, schrie vor Wut und Schmerz auf und ging in die Knie. Noch bevor er sich aufrichtete, traf ihn die Klinge von Hakons Schwert in die Brust. Er sank erneut zu Boden und blickte erstaunt auf das viele Blut, das aus seiner Wunde schoss. Mit offenen Augen blieb er vor dem Wrack liegen, unfähig, noch einmal anzugreifen. Hakon gab ihm den Gnadenstoß und wandte sich angewidert ab, denn er fand keinen Gefallen daran, einen Mann seiner früheren Sippe ins Jenseits zu befördern.
    Ihm blieb keine Zeit, lange darüber nachzudenken. Zwei weitere Nordmänner stürmten aus dem Wald, der eine nur mit einem Kettenhemd bekleidet, der andere in einem zerfetzten Lederwams. Das Unwetter musste sie auf dem See überrascht haben. Wilde Verwünschungen ausstoßend liefen sie Hakon entgegen, die Schwerter kampfbereit erhoben.
    Hakon stellte sich dem Krieger im Kettenhemd entgegen, blockte einen mächtigen Hieb des Angreifers ab und schlug zurück, traf aber nur das dicht gewebte Eisenhemd und richtete kaum Schaden an. »Ihr seid Männer meiner Sippe«, rief Hakon. »Warum kämpft ihr gegen mich?«
    Sein Gegner lachte höhnisch und ging erneut auf ihn los, täuschte zwei Schläge auf den Hals an, drehte sich dann plötzlich um die eigene Achse und zielte auf die Knie. Nur durch einen waghalsigen Sprung, der seinen Widersacher ins Leere schlagen ließ, entging Hakon einer ernsthaften Verletzung. Er ging selbst in die Offensive, erwischte den anderen am Oberschenkel und brachte ihn lange genug aus dem Gleichgewicht, um einen heftigen Schlag auf den Hals folgen zu lassen. Der Mann starb ohne einen Laut.
    Hakon fuhr herum und stellte entsetzt fest, dass Edwin in höchster Gefahr schwebte. Der Mann im Lederwams hatte ihn bis ans zerstörte Heck des Wracks gedrängt. Edwin hielt seine Kriegsaxt mit beiden Händen und schlug verzweifelt auf seinen Gegner ein, aber der war
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