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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger
Autoren: Thomas Jeier
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wesentlich flinker und wich jedem Schlag mit einer geschickten Körperdrehung aus. Jeden von Edwins Hieben begleitete er mit höhnischem Gelächter. »Wie fühlt man sich, wenn man dem Tod in die Augen blickt?«, rief der Nordmann. »Siehst du schon den dunklen Abgrund, in den ich dich stoßen werde?«
    Hakon war zu weit entfernt, um seinen Freund retten zu können. Er war noch keine zwei Schritte gerannt, als der Nordmann ausholte und Edwin mit gewaltigen Hieben beide Arme abschlug. Mit einem weiteren Schlag riss er ihm den Brustkorb bis zum Herz auf. Hakon war bereits so nahe, dass ihm das Blut seines Freundes ins Gesicht spritzte. Er stürzte sich schreiend auf den Mörder, blind vor rasender Wut und fest entschlossen, den Mann in die dunkelsten Tiefen einer anderen Welt zu stoßen. Doch seine Klinge fuhr ins Leere, grub sich in das zersplitterte Holz des Wracks und ließ einige Planken splittern. Nur weil er durch die Wucht seines Schlages zur Seite geschleudert wurde, entging er dem tödlichen Hieb seines Gegners.
    Der Mann im Lederwams war einer jener Krieger, die einen Kampf als großen Spaß verstanden und sich so lange an der eigenen Fechtkunst berauschten, wie es möglich war. Anscheinend mühelos blockte er Hakons Schläge ab, immer einen Schritt schneller und wendiger. Hakon war zu sehr vom Zorn über Edwins sinnlosen Tod erfüllt, um klar denken und ihm etwas entgegenhalten zu können. Alle seine Schläge waren von dem Gedanken getrieben, es dem Mörder des ehemaligen Sklaven mit gleicher Münze heimzuzahlen. Der Mann sollte so grausam sterben wie Edwin.
    Doch Wut und Zorn waren schlechte Begleiter in einem Kampf. Hakon konnte von Glück sagen, dass er seinen Gegner so sehr beschäftigen konnte, dass er selbst von keinem Schwerthieb getroffen wurde.
    Als er für einen winzigen Moment innehielt und ein Hieb seines Widersachers ihn nur um Haaresbreite verpasste, kam er zur Vernunft. Der rote Schleier vor seinen Augen verschwand und sein Verstand trat wieder in den Vordergrund. Schon als kleiner Junge hatte er von seinem Vater gelernt, im Kampf einen möglichst kühlen Kopf zu bewahren und nach der Schwäche seines Gegners zu suchen, sie auszunutzen und zuzuschlagen.
    Die Schwäche des Mannes, der Edwin getötet hatte, war seine unendliche Arroganz. Er hatte keine Mühe gehabt, den jungen Mann mit den dunklen Haaren zu töten, und glaubte mit Hakon ebenso leichtes Spiel zu haben. Er würde ihn einige Male ins Leere rennen lassen, ihn seine Unterlegenheit spüren lassen, bevor er ihn auf die gleiche Weise wie den anderen tötete.
    Doch Hakon war wieder Herr seiner Sinne. Er wich ein paar Schritte zurück, wischte sich Edwins Blut mit dem Unterarm vom Gesicht und griff so blitzartig an, dass sein Gegner nicht wusste, wie ihm geschah. Noch bevor der Mann im Lederwams sein Schwert hochreißen konnte, war Hakon bei ihm, traf ihn an der Schulter und am Hals und hieb ihm die Klinge in den Schritt, riss sie mit voller Wucht nach oben und stieß ihn mit dem rechten Fuß gegen das wankende Wrack.
    Der Mann blickte ihn entsetzt an, schien gar nicht zu begreifen, was plötzlich mit ihm geschah. Doch er war immer noch am Leben, taumelte ungelenk nach vorn und lief in einen weiteren Hieb von Hakon, der ihn endgültig zu Boden warf. Er starb wenige Schritte von Edwin entfernt.
    Hakon würdigte ihn keines weiteren Blickes und ging keuchend neben dem toten Edwin in die Knie. Er drückte ihm die Augen zu und sagte leise: »Du warst ein wahrer Freund, Edwin. Ich werde dich niemals vergessen.«

34
    Hakon spürte die Anwesenheit eines Menschen und richtete sich langsam auf. Sein Körper bebte, vor Schmerz über den Tod seines Freundes und in der Gewissheit, dass ihm die härteste Prüfung noch bevorstand. Noch bevor er sich umdrehte, ahnte er, wer mit dem Schwert auf ihn wartete.
    Auf dem schrägen Deck des Wracks stand Ivar der Einarmige. Wie der dunkle Bote aus dem Reich des Bösen stand er zwischen den Trümmern des Schiffes, ein gnadenloser Rächer.
    »Bis ans Ende der Welt musste ich fahren, um dich töten zu können!«, rief er. »Du dachtest wohl, das verdammte Meer hätte mich verschlungen?« Er lachte heiser. »Meine Männer sind alle ertrunken oder unter deinem Schwert gestorben. Mich hat Thor verschont. Er wollte, dass sich unsere Wege noch einmal kreuzen. Bist du bereit, deinem Sklaven ins Jenseits zu folgen?«
    Hakon stieg langsam über die Reling und blieb in angemessener Entfernung vor dem Jarl stehen. In den
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