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Der Spiegel aus Bilbao

Der Spiegel aus Bilbao

Titel: Der Spiegel aus Bilbao
Autoren: Charlotte MacLeod
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altruistisch
und humanitär. Um ganz offen zu sein, und ich sehe ein, daß mir in diesem Fall
wohl keine andere Wahl bleibt, die arme Miffy hatte die Gewohnheit, sich
weitaus öfter dem Alkohol hinzugeben, als ihr gut tat. Das soll natürlich
keineswegs bedeuten, daß ich irgend etwas gegen ein feuchtfröhliches
Beisammensein unter Freunden einzuwenden hätte, doch als ich sah, welche
Unmengen von Gin Miffy im wahrsten Sinne des Wortes in sich hineinschüttete —
Sie müssen wissen, ich habe mich um sie gekümmert, nachdem die liebe Alice B.
auf so tragische Weise — jedenfalls war mir klar, daß hier etwas geschehen
mußte.«
    Mrs. Kelling strich ihren Rock
glatt und ließ dabei eine kleine Mehlwolke aufsteigen. »Wahrscheinlich wissen
Sie nicht, daß ich über beträchtliche Kenntnisse im medizinischen Bereich
verfüge. Mein Ehemann war viele Jahre lang leidend. Folglich hat er sich
umfassend — und du kannst bestätigen, daß ich nicht übertreibe, nicht wahr,
Sarah? — über sämtliche Krankheiten und neuen Behandlungsmethoden und all das
informiert und alles immer genauestem mit mir besprochen. Ich will damit nicht
sagen, daß er an dem traurigen Leiden der armen Miffy litt, verstehen Sie. Mein
Gatte war stets ein enthaltsamer Mann. Nur ein oder zwei Glas Guinness zum
Mittagessen, weil Guinness so gesund ist, wissen Sie, und ein kleines Gläschen
Port nach dem Abendessen, damit er besser einschlafen konnte. Und einen Schuß
Brandy in seine EggNoggs. Aber ich schweife sicher ab, nicht wahr?«
    »Nun ja -«
    »Ich weiß schon. ›Weg mit dem
Geschirr und ran an die Pferde‹, wie der liebe alte Sam immer so schön sagte.
Jedenfalls kann ich mich daran erinnern, daß er mir von einigen Leuten erzählt
hat, die vom Alkoholismus geheilt wurden, weil jemand sie gefilmt hat, als sie
betrunken waren, und ihnen die Filme gezeigt hat, als sie wieder nüchtern
waren, so daß sie mit eigenen Augen sehen konnten, wie albern sie sich
benahmen. Ich konnte natürlich keine Bilder von Miffy machen, aber ich hatte
meinen Kassettenrecorder dabei, also habe ich angenommen, eine Bandaufnahme
wäre vielleicht genauso gut.«
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen,
uns zu erklären, wieso Sie den Kassettenrecorder zufällig zur Hand hatten, Mrs.
Kelling?«
    »Nur, wenn Sie versprechen,
nicht zu lachen.«
    »Nichts läge uns ferner«,
versicherte Wilson.
    »Na dann — aber bitte auch
nicht kichern! Ich lebe nämlich in Cambridge. Zuerst lag unser Haus in einer
hübschen, ruhigen Wohngegend, aber man kennt das ja, wie das in den großen
Städten so ist. Mit den Jahren nimmt der Verkehr immer mehr zu, bis man sich an
den Lärm so sehr gewöhnt hat, daß man ihn gar nicht mehr wahrnimmt, bis er
nicht mehr da ist, wenn Sie wissen, was ich meine. Wenn ich also nach Ireson’s
fahre, geht mir die Ruhe hier so sehr auf die Nerven, daß ich nicht mehr
schlafen kann. Natürlich kann man sich darüber kaum bei seiner Gastgeberin
beklagen, daher habe ich mir eine Kassette mit unseren vertrauten
Straßengeräuschen aus Cambridge aufgenommen und mitgebracht. Ich besitze einen
dieser kleinen Ohrstöpsel, damit ich niemanden störe, und spiele mir das
Bremsengekreisch, das Hupen und Auspuffknallen vor, bis ich schließlich
entspannt einschlafe. Es klappt einfach immer.«
    Sie strahlte ihn an und fügte
hinzu: »Das mit den Plätzchen tut mir wirklich leid.«
    Klugerweise versuchte
Polizeichef Wilson nicht, die letzte Bemerkung zu verstehen. »Aber Sie haben
bei unserem letzten Gespräch gesagt, Sie hätten eine unruhige Nacht gehabt.«
    »Nun, das Band ist nur 30
Minuten lang, wissen Sie, und man kommt sich doch etwas albern vor, wenn man es
die ganze Nacht immer wieder zurückspult.«
    »Ich verstehe. Sie haben die
Kassette nicht zufällig bei sich?«
    »Doch, das habe ich. Irgendwo
hier in meiner Tasche. Ach ja, hier ist sie schon.«
    Sie kramte in ihrer
Riesentasche und zog schließlich einen kleinen, billigen Kassettenrecorder
heraus. »Ehrlich gesagt, war mir nicht ganz wohl dabei, ihn in Miffys Haus zu
lassen, während Pussy da war. Ich habe vollstes Verständnis für gesunde
Neugier, ich selbst bin nicht frei davon, doch der Gedanke, daß Pussy meine
Kassette anhören könnte, hat mir nicht sehr zugesagt. Aber da Sie hier die
zuständige Autorität sind, voilä!«
    Wilson nahm das kleine schwarze
Gerät und sah ein klein wenig belustigt aus. »Ich brauche also lediglich auf
diesen Knopf zu drücken, und schon haben wir das
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