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Der Sommermörder

Titel: Der Sommermörder
Autoren: Nicci French
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einer schrecklichen, ganz in Rot gedruckten Rechnung unterschreibt, in der sie damit drohen, einem das Telefon abzuschalten.
    Wider Erwarten machte er einen recht fröhlichen Eindruck. Draußen schien es noch einigermaßen kühl zu sein, obwohl der Tag bestimmt wieder sehr heiß werden würde. Diesen Postboten kannte ich noch nicht, sodass ich nicht sagen konnte, ob er schon länger so herumlief oder ob sein Outfit neu war. Jedenfalls trug er recht kleidsame blaue Shorts und ein frisches hellblaues Kurzarmhemd.

    Offenbar handelte es sich dabei um die offizielle Sommerkleidung, aber bei ihm sah es richtig flott aus. Er war nicht mehr ganz jung, hatte aber etwas von einem Baywatch- Postboten , Deswegen machte ich die Tür etwas weiter auf und betrachtete ihn mit einem interessierten Blick, den er mit einer gewissen Neugier erwiderte. Mir wurde bewusst, dass mein Regenmantel ziemlich knapp saß und in der Mitte ein wenig auseinanderklaffte. Ich zog ihn fester um meinen Körper, was die Sache nur noch schlimmer machte. Allmählich kam mir das Ganze vor wie eine Szene aus einer dieser schmierigen britischen Sexkomödien aus den frühen Siebzigern, die manchmal am Freitag Abend laufen, wenn man nach dem Pubbesuch noch den Fernseher einschaltet. Pornos für arme Schweine.
    »Wohnung C?«
    »Ja.«
    »Post für Sie«, sagte er. »Es passt nicht alles durch den Briefschlitz.«
    Da hatte er allerdings Recht. Er war mit Unmengen von unterschiedlich großen Umschlägen beladen, die zu mehreren Stapeln gebündelt und von Gummis zusammengehalten wurden. Erlaubte sich da jemand einen Scherz mit mir? Es war gar nicht so leicht, die vielen Bündel mit einem Arm entgegenzunehmen und gleichzeitig mit dem anderen den Regenmantel zuzuhalten.
    »Darf man zum Geburtstag gratulieren?«, fragte er augenzwinkernd.
    »Nein«, antwortete ich und schob die Tür mit meinem nackten Fuß zu.
    Ich trug die Briefe nach oben und kippte sie auf den Wohnzimmertisch. Als Erstes griff ich nach einem fliederfarbenen Umschlag und riss ihn auf, wusste aber eigentlich schon vorher, worum es sich handelte. Dank meinem Urgroßvater oder Ururgroßvater, der vor hundert Jahren mit nichts als einem Joghurtrezept aus Armenien ausgewandert ist, bin ich im Telefonbuch sehr leicht zu finden. Hätte er nicht wie die meisten anderen Einwanderer seinen Namen ändern können? Ich las den Brief.

    Liebe Zoë Haratounian,
    heute Morgen habe ich in der Zeitung von Ihrer Heldentat gelesen. Gestatten Sie mir bitte, Ihnen als Erstes zu dem Mut zu gratulieren, den Sie bewiesen haben, indem Sie auf diesen Menschen losgegangen sind. Wenn ich Ihre Geduld noch ein wenig länger in Anspruch nehmen darf …

    Ich überflog die Seite und blätterte um. Insgesamt waren es fünf Briefbogen, und Janet Eagleton (Mrs.) hatte jeweils beide Seiten des Blattes mit grüner Tinte beschrieben. Ich beschloss, mir diesen Brief für später aufzusparen, und öffnete stattdessen einen Umschlag, der einen normaleren Eindruck machte.

    Liebe Zoë,
    herzlichen Glückwunsch. Sie haben sich großartig verhalten, und wenn mehr Leute so handeln würden wie Sie, dann wäre London ein Ort, an dem es sich besser leben ließe. Außerdem fand ich Sie auf dem Zeitungsfoto sehr hübsch, und das ist der eigentliche Grund, warum ich Ihnen schreibe. Mein Name ist James Gunter, ich bin fünfundzwanzig, und ich glaube, ich sehe recht passabel aus, aber es ist mir bisher nicht gelungen, das richtige Mädchen kennen zu lernen, Miss »Right«, wenn Sie so wollen …

    Ich faltete den Brief zusammen, legte ihn auf den von Mrs. Eagleton und öffnete einen anderen Brief, der eher aussah wie ein Päckchen. In dem Umschlag steckte ein Bündel von Blättern, die halb gefaltet, halb zusammengerollt waren. Ich sah Diagramme, Pfeile, spaltenförmig angeordneten Text. Immerhin begann das Ganze auf der ersten Seite wie ein an mich gerichteter Brief.

    Liebe Miss Haratounian!
    (Ein interessanter Name. Sind Sie vielleicht eine Nachfahrin Zarathustras? Lassen Sie es mich wissen!
    [Postfachanschrift siehe unten.] Ich werde weiter unten noch genauer auf dieses Thema [Zarathustra] zu sprechen kommen.) Sie sind in der Lage, sich gegen die Mächte der Dunkelheit zu wehren, aber wie Sie sicher wissen, gibt es andere Mächte, denen man nicht so leicht widerstehen kann. Wissen Sie, was das englische Wort
    »kunderbuffer« bedeutet? Wenn ja, können Sie das Folgende überspringen und mit einem Abschnitt beginnen, den ich aus Gründen der
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