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Der Sommer des Kometen

Der Sommer des Kometen

Titel: Der Sommer des Kometen
Autoren: Petra Oelker
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den Physikus, den er wegen seiner zänkischen Galle nicht verärgern durfte, höflich zu bedienen. Samt seiner ehrenwerten Gäste. Es sei übrigens ganz manierlich zugegangen, selbst die beiden Knaben, von denen der eine, der rötliche, nicht ein Wort geredet habe, wussten mit Messer und Gabel, ja, selbst mit dem Mundtuch, umzugehen, ganz anders als man es von Komödianten erwarte. Der Physikus sei nun mal ein seltsamer Kauz, und so einer habe seltsame Bekanntschaften. Man hätte nur zu gerne gewusst, woher.
    Danach hätte man Struensee nur zu fragen brauchen. Er schämte sich nie für seine Freundschaften. Den Akrobaten, den er mit dessen Familiennamen Rothländer angesprochen hatte, und der von den Komödianten, zu denen er seit einigen Jahren gehörte, nur Sebastian genannt wurde, kannte er aus Halle. Dort hatten beide studiert. Als Sebastian an die Universität kam, war Struensee schon in seinem letzten Jahr. Er hatte den ruhigen, immer etwas gebeugt erscheinenden Jungen vom Land gleich gemocht, und die Entschlossenheit, mit der der Jüngere sich so verschiedenen Wissenschaften wie der Theologie, der Juristerei und, von dem neuen Freund animiert, der Kunst des Jonglierens widmete, hatte ihm, dem ewigen Spötter, imponiert.
    Im vergangenen Frühjahr hatte die Becker’sche Komödiantengesellschaft, wie sie nach ihrem Prinzipal Jean Becker hieß, in Hamburg Furore gemacht, weil sie half, einen Mörder zu fangen und einen weiteren Mord zu verhindern. Damals hatte Struensee in dem geschmeidigen Akrobaten und, zugegeben, nicht besonders gefälligen Deklamierer, den alten Freund wiedererkannt. Er hatte nicht gefragt, warum er, der aus guter Familie kam und an einer der besten deutschen Universitäten studiert hatte, Komödiant geworden war. Aus dem blassen, etwas kraftlosen Studiosus war ein selbstbewusster fröhlicher Mann geworden, immer noch ruhig, aber nicht mehr verschlossen und melancholisch. Das genügte ihm. Struensee war in jenen Wochen oft nach Hamburg geritten, er hatte in der Theaterbude an der Neustädter Fuhlentwiete gesessen und sich amüsiert, er hatte nach der Vorstellung mit den Komödianten in der Schenke
Zum Bremer Schlüssel
gesessen und sich noch mehr amüsiert.
    Struensee freute sich, dass die Komödianten gerade in diesem trüben Monat zurückgekehrt waren. Er brauchte ein wenig Vergnügen, auch wenn er nicht wusste, woher er die Zeit dazu nehmen sollte. Das Wetter machte zu viele krank.
    Eigentlich hatte er es eilig, wie immer, aber nichts und niemand hätte ihn daran gehindert, die Komödianten nach Hause zu begleiten, um die anderen Mitglieder der Gesellschaft zu begrüßen. Zu Hause, das bedeutete für ein paar Wochen die Mietwohnung in der Elbstraße, gleich neben der großen Scheune, die in Altona an reisende Komödianten, Puppenspieler, Ballett- oder Operntruppen vermietet wurde.
    Satt – es hatte mit süßem Eierrahm und Mandeln gebackenes Krebsfleisch gegeben – und erfrischt von kühlem Zitronenwasser, schlenderten der Physikus und die Komödianten durch den Rosengang und die Fischerstraße. In Sustermanns Gang mussten sie sich an einem hoch mit Heu beladenen Fuhrwerk vorbeidrängen, dessen Räder wegen des starken Gefälles am Geesthang gerade von zwei Frauen mit dicken Steinen blockiert wurden. Schließlich erreichten sie den Fischmarkt, von dem aus sich die Elbstraße, das quirlige Altonaer Zentrum für Handel und Schifffahrt, flussabwärts erstreckte. Fische durften nur bis um halb zehn am Morgen verkauft werden, und die Ewer der Fischer waren um diese Nachmittagsstunde längst wieder nach Neumühlen, Övelgönne oder Finkenwerder verschwunden. Nur im Schatten der Fischmarktwache, auf deren First ein in Eisen gegossener Kranich über Ruhe, Ordnung und reelle Geschäfte wachte, hockten noch einige Ottenser Bäuerinnen neben ihren Körben. Die meisten waren schon leer, aber es gab immer noch Erdbeeren, junge Zwiebeln, grüne Bohnen, Spargel, Eier und weißen Käse.
    Rosina blieb am Brunnen stehen, tauchte beide Hände ins Wasser und lächelte zu der steinernen Minerva hinauf, die auf dem achteckigen Podest inmitten des Beckens thronte. Sie kühlte ihre Arme, schöpfte mit beiden Händen Wasser und ließ es über die Füße der Schutzherrin des Handwerks, der Weisheit und der Künste laufen.
    «Bring uns Glück», flüsterte sie, «bring uns bitte Glück.»
    Die Elbstraße begleitete den Lauf des Flusses bis zum Ende der Stadt. Nahe dem Fischmarkt war sie zur Landseite dicht von
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