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Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten
Autoren: Michael Derbort
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schaltete die Taschenlampe ein und richtete den Strahl erneut auf die Leiche.
    „Oh Scheiße!“, reif sie leise aus.
    Sie eilte an den beiden Männern vorbei zu dem ersten Grab und leuchtete auch dorthinein.
    Werner und der Pfarrer folgten ihr alarmiert.
    „Oh verdammt ...“, murmelte Bianca.
    Abrupt drehte sie sich um und blickte den Pfarrer an.
    „Herr Pfarrer“, sagte sie mühsam beherrscht. „Ich muss zugeben, dass ich nicht sehr religiös bin. Ich brauche daher eine rasche Nachhilfe.“
    „Was ist los?“, wollte der Priester wissen.
    „Wenn eine Leiche aufgebahrt wird, dann werden die Hände doch übereinander gelegt.“
    „Das ist korrekt. Die Hände halten einen Rosenkranz.“
    „Wird an dieser Stellung noch mal etwas geändert?“
    „Nein, auf keinen Fall!“, rief Pfarrer Schuster entrüstet aus. „Der Sargdeckel wird verschlossen und der Verstorbene wird so bestattet.“
    „Dann wird Ihnen das hier ganz bestimmt nicht gefallen“, sagte Bianca und richtete den Strahl der Taschenlampe auf den Toten. „Achten Sie auf die Hände.“
    Werner sprang mit einem leisen Schrei zurück.
    „Heilige Mutter Gottes ...“ murmelte Pfarrer Schuster entsetzt.
    Die Hände des Toten waren nicht übereinandergefaltet. Auf seiner Brust lag der Rosenkranz, die Arme waren rechts und links vom Körper der Leiche ausgestreckt.
    Das Schlimmste an diesem Anblick war jedoch, dass die Hände des Toten zu Fäusten geballt waren.
    7.
„Woran ist Ihr Onkel gestorben?“, fragte Bianca.
    Sie saßen zu dritt im Pfarrhaus. Bianca hatte zuvor Anna ihren Autoschlüssel gegeben und sie gebeten, zusammen mit Kurt zurückzufahren. Der Junge war ohnehin mit seinen Nerven am Ende. Diese Diskussion musste er nicht auch noch mitbekommen.
    „Herzinfarkt, soweit ich weiß“, antwortete Werner. „Zwischen seinem Tod und der Beerdigung vergingen noch mal zehn Tage, falls Sie auf einen Scheintot anspielen wollen.“
    „Genau das wollte ich. Sind Sie sicher mit den zehn Tagen?“
    „Absolut. Mein Onkel war auf Urlaub in Griechenland, als es ihn erwischte. Es war ein furchtbarer Aufwand mit der Rückführung damals. Erst wollten die Griechen die Leiche nicht herausrücken und dann ging die Streiterei los, wer die Kosten für die Rückführung übernimmt.“
    „Okay, ich glaube Ihnen“, sagte Bianca. „Aber ich kann nicht behaupten, dass ich jetzt schlauer bin. Bei beiden Leichen haben wir das gleiche Phänomen. Sie sind nicht verwest, was nach dreißig Jahren aber definitiv der Fall sein müsste. Beide Leichen haben die gleiche merkwürdige Stellung der Hände. Scheintot können wir zumindest in einem Fall ausschließen. Außerdem wäre es ein merkwürdiger Zufall, wenn gleich zwei Leichen in einer Grabreihe auftauchen, die lebendig begraben wurden. Hinzu kommt, dass auch die Erde merkwürdig ... tot ist.“
    Der Pfarrer schüttelte sich.
    „Tut mir leid, es ist ein komischer Vergleich, aber ...“, begann Bianca.
    „Ich habe ja schon gesagt, dass in diesem Dorf ein gewisser Aberglaube vorherrscht“, sagte Pfarrer Schuster.
    „Und weiter?“, hakte Bianca nach, nachdem eine deutlich zu lange Pause folgte.
    „Die Kirche und die anderen Gebäude wurden 1751 errichtet. Zuvor diente der Hügel einem anderen Zweck.“
    „Welchem Zweck?“
    „Damals nannten ihn die Einwohner Hexenhügel. Frauen, die von der Inquisition gejagt und gefangen wurden, hatte man an dieser Stelle verbrannt. Der Hügel ist hier im Umkreis der höchste Punkt. Man sollte im weiten Umkreis die Hexen brennen sehen.“
    „Richtig nett“, brummte Bianca.
    Pfarrer Schuster ließ sich von ihrem Einwand nicht beeindrucken und fuhr fort.
    „Dort, wo jetzt der Friedhof ist, war die Richtstätte. Der Fußweg, den Sie heraufgekommen sind, entspricht weitgehend dem, der seinerzeit angelegt wurde. Das Beinhaus wurde auf den Fundamenten des Hexenturms erbaut, der seinerzeit hier stand. Die Prozesse selbst fanden im Ort statt. Unter dem Rathaus existiert immer noch der Folterkeller – mit all seinen Folterinstrumenten. Ich kann gerne mal mit dem Bürgermeister reden, dass er Sie dort herum führt. Sie müssen bedenken, dass die angeklagten Frauen nach der Folter meist vollständig verkrüppelt und oft genug wahnsinnig waren, nachdem sie die Folter hinter sich gebracht hatten und als Hexen verurteilt wurden. Dennoch wurden sie zu Fuß diesen Weg hinauf in den Hexenturm oder zur Richtstätte getrieben. Es war damals überall oft genug Usus, dass den verurteilten
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