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Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten
Autoren: Michael Derbort
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Blick.“
    Sie erhob sich.
    „Kann ich auch einen Blick auf die andere Leiche werfen?“
    Der Priester nickte. Werner führte sie zu dem zweiten ausgehobenen Grab.
    Bianca begutachtete auch hier zunächst genau den Erdhaufen und dann die Leiche. Sie kam zu dem gleichen Ergebnis.
    „Das ist wirklich einigermaßen merkwürdig. Wann ist der gestorben?“
    „1972“, sagte Werner.
    Bianca schaltete die Taschenlampe ab und trat zwei Schritte vom Grab zurück. Irgendetwas tief in ihr sagte ihr, dass es noch mehr gab, was nicht stimmte.
    Sie bemerkte die wachsende Ungeduld, die Werner zu verbergen versuchte. Sie konnte ihn gut verstehen. Auch sie würde lieber sofort wieder zurück ins Pfarrhaus oder sonst wohin gehen. Nur weg von diesem unheimlichen Phänomen.
    Aber ihre innere Stimme rief ihr immer wieder etwas zu, was sie noch nicht verstand.
    Sie blickte auf die Uhr und zückte ihr Handy. Sie konnte nicht wissen, welche Aversionen der Priester gegen moderne Technik hegte und wunderte sich daher ein wenig über seine merkwürdige Reaktion. Dennoch blätterte sie sich durch die Nummern ihrer Telefonkontakte und stellte schließlich die Verbindung her. Es dauerte fast eine Minute, ehe sich eine verschlafene Männerstimme mürrisch meldete.
    „Hallo Klaus, ich bin’s, Bianca“, meldete sie sich.
    „Hallo“, brummte Klaus wenig freundlich. „Wo bist du gerade? Wie groß ist die Zeitverschiebung?“
    „Ich weiß, dass es mitten in der Nacht ist“, sagte Bianca. „Es tut mir auch leid, aber ich brauche deine Hilfe.“
    „Worum geht es?“
    „Ich brauche ein paar sterile Petrischalen, Blutagar, ein Mikroskop, Objektträger, isotonische Kochsalzlösung, ein paar Spritzen mit Kanülen und verschiedenen Kleinkram.“ Sie betete noch eine Liste weiterer Laborutensilien herunter.
    „Willst du dich jetzt selbstständig machen?“ Klaus klang plötzlich gar nicht mehr müde.
    „Nein.“ Bianca lachte. „Du wirst in Kürze alles erfahren. Vielleicht spendiere ich dir auch drei Tage Urlaub in dem schönen Berghausen. Aber das kommt später. Wenn ich dir das am Telefon erklären würde, schickst du mir nicht den Kram, den ich brauche, sondern eine Zwangsjacke.“
    „Ich spiele ernsthaft mit dem Gedanken, eine solche gleich mit dazu zu packen“, entgegnete Klaus trocken.
    „Es ist wirklich wichtig. Kannst du mir das Zeug gleich morgen per Express zuschicken? Ich bezahle auch das Porto.“
    „Mach dir um das Porto keine Sorgen“, sagte Klaus. „Aber ich will wissen, was du wieder ausheckst.“
    „Du bist ein Schatz. Ich rufe dich in zwei Tagen wieder an. Sieh zu, dass du für drei Tage frei bekommst. Ich glaube, ich brauche dich hier.“
    „Ziemlich heiß, dieser Sommer, was?“, neckte Klaus.
    „Ich bin in Ordnung. Keine Sorge. Schickst du’s mir?“
    „Nein.“
    „Wie bitte?“ Bianca konnte kaum glauben, was sie zu hören bekam.
    „Besorg mir ein Zimmer. Ich bin morgen Abend mit dem Kram hier. Wenn du so geheimnisvoll tust, dann hast du eine Bombe auf Lager. Die will ich sehen.“
    „Du bist wirklich ein Schatz. Also bis morgen.“
    Bianca trennte die Verbindung und steckte das Handy in die Tasche. Dann wandte sie sich an die beiden Männer.
    „Morgen kommt ein Kollege von mir mit einigen Laborutensilien. Damit werde ich versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen.“
    „Das ist wirklich sehr nett von Ihnen“, sagte Pfarrer Schuster. „Aber ich bitte Sie nochmals: kein Aufsehen.“
    „Wir werden die Angelegenheit so diskret wie möglich handhaben“, versprach Bianca, während sie Werner die Taschenlampe zurückgab. „Allerdings sollten die Leichen an einen kühlen Ort verschwinden.“
    „Wir könnten sie ja vorübergehend im Beinhaus lagern“, schlug Werner vor. „Für einige Tage schließen wir es ab und schreiben etwas von Renovierungsarbeiten an die Tür.“
    Pfarrer Schuster zögerte.
    „Einverstanden“, sagte er schließlich.
    „Gehen wir erst mal zurück“, schlug Bianca vor. „Ich finde es hier ziemlich unheimlich.“
    „Gute Idee“, antwortete Werner. Die Erleichterung war deutlich aus seiner Stimme herauszuhören.
    Sie machten kehrt, aber nach zwei Schritten blieb Bianca wie angewurzelt stehen. Plötzlich fiel ihr auf, was ihre innere Stimme ihr die ganze Zeit zuzurufen versuchte.
    „Scheiße“, flüsterte sie.
    Werner und der Pfarrer blickten sie erschrocken an.
    Ohne ein weiteres Wort riss Bianca wieder die Taschenlampe an sich und eilte zurück zu dem zweiten Grab. Sie
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