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Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)
Autoren: Amanda Howells
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Lotionen, Bücher und Snacks arrangierten. »Ansonsten gibt es ja nichts zu tun.«
    »Beth!« Corinne schien sich zu freuen, obwohl Beth – soweit ich nach einem Tag feststellen konnte – noch immer eher eine Spaßbremse als ein unternehmungslustiger Kumpel war. Sie schien an ihrer Skischanzennase entlang auf alles hinabzublicken. Ihre Stimme war mit den Jahren noch höher und ätherischer geworden, und sie schien nicht mehr Substanz zu haben als eine Feder. Nach dem, was ich beurteilen konnte, ging sie dorthin, wohin der Wind sie wehte. Dennoch schien sie sich stets zu wünschen, anderswo zu sein.
    Aber vielleicht war das der Fluch wahrhaft schöner Menschen. Alles in ihrer Umgebung wirkte so hässlich und zweitrangig.
    »Vielleicht wäre ich doch besser nach Budapest gefahren«, seufzte Beth, als sie sorgfältig ihr Handtuch arrangierte wie eine Serviette, die sie faltenfrei drapieren musste. »Aber ich hatte zu große Angst, es könnte dort schmutzig sein«, fuhr sie fort. »Und deprimierend osteuropäisch, wisst ihr? Schwarzbrot und so.«
    Sie verzog das Gesicht und schürzte den winzigen Mund zu einer kleinen Rosette. Auf einmal fiel mir ein, woran ihre Stimme mich erinnerte: an Hello Kitty . Wenn Hello Kitty reden könnte, würde sie wie Beth klingen. Aber das waren die Privilegien der Schönheit – man konnte wie Hello Kitty reden und anbetungswürdig anstatt abstoßend wirken. »Und jetzt wünschte ich, ich wäre dort?«, jammerte Beth und brachte ihre Feststellungen wie traurige Fragen hervor. »Anstatt hier?«
    »O Beth!« Corinne schien das wahnsinnig komisch zu finden. Beth war in ihrem vorletzten Collegejahr in Vassar und hatte sich gegen einen Sommeraufenthalt im Ausland entschieden. Ich hatte keine Ahnung, was so lustig war, aber die Schwestern kicherten jetzt beide, und ich fiel ein, obwohl ich mir wie eine richtige Heuchlerin vorkam.
    Ich zuckte innerlich zusammen, als ich mein eigenes Lachen hörte, und fragte mich, warum ich mir solche Mühe gab. Als ich am Morgen erwacht war, schien mir das Szenario des einsamen Glücks, das ich mir am Abend zuvor ausgemalt hatte, schon wieder weit weg zu sein. Endgültig warf ich die Vorstellung meiner Selbstgenügsamkeit über Bord, als Corinne mir den Korb mit den Croissants reichte und mich über den Frühstückstisch hinweg anstrahlte.
    Ich war überglücklich, das Ziel ihres Lächelns zu sein. Überglücklich und verzweifelt, wieder ganz auf Corinne fixiert. Egal, ob sie einen Witz riss, den ich nicht verstand: Ich wusste, dass ich lachen würde, als sei sie eine gefeierte Stand-up-Comedian auf der Bühne. Denn die schlichte, beschämende Wahrheit war, dass ich wollte, dass sie mich mochte. Ich wollte, dass sie mich cool fand. Ich sehnte mich danach, ihre Witze zu verstehen.
    Ha ha ha.
    Während Beth und Corinne ohne Punkt und Komma über Leute redeten, die ich nicht kannte, und Orte, an denen ich nie gewesen war, schälten sie ihre Jeans-Segelshorts von hohen, hervorstehenden Hüftknochen über ihre schlanken, muskulösen Oberschenkel und endlosen Beine. Darunter kamen winzige Bikinis zum Vorschein, die teuer aussahen, obwohl sie nicht größer als Briefmarken waren. Ich versuchte, ihre sonnengebräunten Körper nicht neidvoll anzustarren, aber wenn man junge Frauen wie meine Cousinen sieht, fühlt man sich – egal mit welchem Körperbau – automatisch wie ein weiches, haariges Marshmallow, auch wenn man gerade einen Bikini gekauft und sich die Beine hat wachsen lassen.
    Reiß dich zusammen , spornte ich mich an, als ich meine abgeschnittenen Jeans und mein T-Shirt auszog. Doch ich spürte, wie sich etwas in mir zusammenzog, wie ein Einsiedlerkrebs, der sich in sein Schneckenhaus verkriecht. Schlimm genug, dass meine Mutter meine Figur kritisierte – jetzt musste ich auch noch die raschen, abschätzigen Blicke meiner Cousinen ertragen, als ich mich bis auf den Bikini auszog.
    Corinne musterte mich, und ich meinte tatsächlich, einen Funken Mitleid in ihren Augen zu sehen. Vielleicht bildete ich mir das aber auch nur ein und ihre Augen waren nur ein Spiegel, der mein unsicheres Selbst reflektierte. Dennoch fragte ich mich, warum ich mir nicht statt des neuen Sommerbikinis einen Ganzkörper-Neoprenanzug gekauft hatte, mit der passenden Schwimmbrille als Tarnung.

    »Wie findest du diesen?« Mama hielt im Kaufhaus einen quergestreiften Einteiler hoch. »Das ist Retrolook«, erklärte sie hoffnungsvoll. Doch das nahm ich ihr nicht ab. Wir waren auf
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