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Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)
Autoren: Amanda Howells
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unserer Shoppingtour für den Sommer, und schon den ganzen Vormittag hatte mich meine Mutter zu überreden versucht, figurschmeichelnde Badeanzüge mit »vorteilhaften Volants im Hüftbereich« anzuprobieren, in denen ich aussah, als wäre ich unterwegs nach Gilligan’s Insel anstatt nach Long Island.
    »Dieser ist bequem«, sagte ich zu ihr, nachdem ich mich für einen marineblauen Bikini mit Hipster-Hose und einem athletischen Oberteil mit hinten gekreuzten Trägern entschieden hatte. Da ich dank harten Trainings einen straffen Bauch hatte, fand ich, ich hätte es auch verdient, ihn zu bräunen. Aber nachdem wir den Bikini gekauft hatten, war ich mir plötzlich nicht mehr so sicher. Die spitzen Bemerkungen meiner Mutter hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Wie immer.
    Diese Übung in gegenseitiger Mutter-Tochter-Enttäuschung war nichts Neues. Meine Mutter war mit achtzehn Miss New York State gewesen, worauf sie immer noch stolz war, obwohl inzwischen ihren Worten nach die Szene der Schönheitswettbewerbe »sehr proletenhaft« geworden war. Kein bisschen stolz war sie hingegen auf ihre Tochter, die so überhaupt nicht nach ihr schlug, weder äußerlich noch von den Interessen her. Wenn es nach meiner Mutter gegangen wäre, wären wir jeden Tag shoppen gegangen und hätten miteinander geredet wie Freundinnen in einer Studentinnenverbindung. Nur, dass ich Shoppen hasste. Und mich niemals einer Studentinnenverbindung angeschlossen hätte – geschweige denn, von einer aufgenommen worden wäre.

    »Ich gehe rein«, sagte ich zu meinen Cousinen, bewusst laut und selbstbewusst, um meine gegenteiligen Gefühle zu kompensieren. Eine Runde Schwimmen würde mir auf jeden Fall guttun. So war es immer – anschließend waren meine Sorgen wie weggeblasen. Und im Wasser fühlte sich jeder schwerelos.
    Ich trainierte viel: Von klein auf war ich im Schwimmverein und ging oft ins Fitnessstudio. Doch was ich auch unternahm, es lag einfach nicht in meinen Genen, in einem Bikini wie eine zarte Meerjungfrau auszusehen. Ich hätte mich leicht damit abgefunden, wenn meine Mutter mich nicht immer zum Abnehmen gedrängt hätte. Doch obwohl ich meine Mutter und die Modemagazine so weit wie möglich ignorierte, waren die Möglichkeiten begrenzt, das eigene Selbstbewusstsein zu stärken, wenn man nicht einem Ideal entsprach. Mit zwei sonnengebräunten Mädchen am Strand zu liegen, die so zierlich wie Seepferdchen waren, trug jedenfalls nicht dazu dabei, sich in seiner eigenen Haut wohl zu fühlen.
    »Viel Spaß«, sagte Corinne und griff nach ihrer Vanity Fair. »Und versuch, zu ertrinken«, fügte sie grinsend hinzu. »Der Rettungsschwimmer ist einfach zum Anbeißen!«
    Ich lachte, diesmal aus ganzem Herzen. Corinne besaß noch immer diese Anflüge von Unbeschwertheit, die ab und zu zum Vorschein kamen, funkelnd wie die vom Meer glattgeschliffenen Glasscherben, die wir als Kinder sammelten. Ich hoffte, dass sie noch mehr davon in petto hatte und mir im Laufe des Sommers einige zuwerfen würde.
    Ich stürzte mich ins Meer, schwamm in schnellem Freestyle durch die Brecher, tauchte unter einer anrollenden Welle hindurch, kam daraus hervor und zerteilte das glasige Wasser zwischen den Wogen mit den Armen.
    Zu Hause.
    So hatte sich der Ozean seit jeher für mich angefühlt. Die Wellen peitschten meine Muskeln, lösten all meine Verspannungen und ließen keinen Raum für unglückliche Gedanken. Dann war ich draußen im glatten, offenen Wasser. Die Sonne brannte heiß auf meiner Haut und ließ mich träge werden. Reglos ließ ich mich treiben, das Leben an Land weit weg.
    Doch als ich schließlich zurückkraulte, verträumt und müde vom langen Schwimmen, peinigte mich wieder die Unsicherheit. Es war, als warte alles und jeder an Land nur darauf, mich wieder hinunterzuziehen, sobald ich auf trockenem Sand stand. Nur im Wasser schwebend konnte ich wirklich loslassen.

kapitel zwei
    Corinnes Freundin Genevieve traf am Mittwoch aus Westchester ein. In einem mitternachtsblauen Audi-Sportwagen bog sie mit quietschenden Reifen in die Auffahrt ein. Anschließend folgte noch sehr viel mehr Gequietsche, als Corinne hinausrannte, um sie zu begrüßen.
    »Tante Maxine, Mia, das ist Genevieve Chu, das verrückteste Mädchen, das ich kenne«, stellte Corinne ihre Freundin vor, die langen, braunen Arme um Genevieves Hals geschlungen. »Gen, das sind meine Tante und meine Cousine.«
    »Wie nett, Sie kennenzulernen, Maxine.« Ja, Gen wusste genau, wie man sich
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