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Der Sommer der lachenden Kühe

Titel: Der Sommer der lachenden Kühe
Autoren: Arto Paasilinna
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klang aus dem Inneren des Sturmgeschützes nach draußen.
    Bald hatte Taavetti Rytkönen einen Rausch. Er hatte Lust, zu singen und ein wenig seine Kräfte zu testen. Er schmiss den Sack durch den engen Raum. Zwiebeln rollten im Labyrinth des dunklen Fahrzeugs hin und her. Taavetti keuchte und lärmte herum. Dann stieß er mit Gewalt die eingerostete Luke auf und warf Zwiebeln ins Kanonenrohr. Er richtete das Rohr so aus, dass die Zwiebeln draußen in den Sand purzelten. Nun machte er sich über das Periskop her und riss es ab. Lautes Klappern war zu hören, als sich das Periskop, von Taa­ vettis wieherndem Lachen begleitet, seinen Weg in die Tiefen des Panzers bahnte.
    Die uralten stolzen Kiefern von Parola bekamen in dieser Abendstunde, zur Zeit des Sonnenuntergangs, eine sonderbare Vorführung geboten. Aus den Tiefen der schweren Kriegsmaschine drang ungeheurer Lärm, dazu das Gelächter, der Gesang und das Gebrüll des ausge­ lassenen Kriegsveteranen. Der ganze Panzer hallte und dröhnte, als der Alte mit Geschosshülsen, dem Periskop und anderen abgerissenen Stahlgeräten gegen die Wän­ de und das Dach des Fahrzeugs hämmerte.
    Von Zeit zu Zeit purzelten aus dem Kanonenrohr Zwiebeln und rollten über den Sandboden, einige waren angebissen. Draußen hatten sich inzwischen mehrere Kilo Zwiebeln angesammelt. Drinnen gingen das Gepol­ ter und Gedröhn, der ganze ohrenbetäubende Lärm, weiter. Verwirrt vom Alkohol und weinend von den Zwiebeln, führte der finnische Kriegsheld seinen letzten Kampf. Von dem starken Schnaps musste er sich erbre­ chen, dabei fiel ihm das Gebiss aus dem Mund. Wütend schleuderte Rytkönen das Gebiss ins Kanonenrohr, so als wäre es eines jener mörderischen Geschosse, die er vor langer Zeit benutzt hatte, damals, als aus Männern Hackfleisch und aus Panzern Schrott gemacht wurde.
    Und es geschah, dass Taavetti Rytkönen plötzlich al-les wieder einfiel, er sich völlig überraschend an alles erinnerte, mit seinem Leben eins war. Er wusste, wer er war, wo er wohnte, dass er eine Familie hatte, welche Hobbys er betrieb, was er noch vom Leben erwartete… Er hatte jetzt alles klar und deutlich vor Augen, alles schien vernünftig, natürlich und verlässlich. Er wusste jetzt ebenfalls wieder, dass er an Demenz litt, ja natür­ lich, er hätte es längst ahnen müssen. Alles war ihm nun vertraut, sein ganzes Leben. Gleichzeitig beschlich ihn die Angst, dass diese Klarheit und Hellsichtigkeit nicht lange andauern würden. Der Gedanke an den drohenden erneuten Verlust machte ihn wütend, er begann wieder herumzulärmen, schlug mit dem Peri­ skop gegen die Wand, bis es nur noch ein formloses Horn war, soff die Flasche aus, schimpfte noch eine Weile vor sich hin, bis er schließlich auf der Bank des Schützen in einen trunkenen Schlaf fiel. Instinktiv wischte er sich mit dem rauen Zipfel des Zwiebelsackes die verweinten Augen und rollte seinen alten Körper auf der harten Bank in Embryostellung. Und wie ein Emb­ ryo wusste auch er bald nichts mehr von der Welt.
    Irgendwann in der Nacht wachte der Alte in dem dunklen Raum auf. Er wusste nicht mehr, wo er war, sondern verspürte nur panische Angst, genau wie im Krieg, wenn er während der blutigsten Abwehrkämpfe dem Tod ins Auge sah; er wollte hinaus, fort, davonlau­ fen, aber er war zu müde und zu verwirrt, um zu wissen, wohin er sich wenden sollte. Der barmherzige Schlaf und das Vergessen verdrängten schließlich die Angst des Alten. Wieder war ein Kampf vorbei, und Frieden senkte sich über das rostige Sturmgeschütz. Noch ein zweiter armer Teufel war in derselben Gegend unterwegs. Es war der Junggeselle Uolevi Hollikka aus Hattula. Uolevi hatte sich schon am vergangenen Tag auf seinem Fahrrad mit Dreigangschaltung nach Hä­ meenlinna aufgemacht. Dort hatte er sich für das bevor­ stehende Sommerfest neue Kleidung kaufen und ein paar dringende Angelegenheiten, seinen Hof betreffend, erledigen wollen. Uolevi hatte einen Hang zum Alkohol. Aus dem Kleiderkauf und der Regelung seiner Angele­ genheiten war nichts geworden. Stattdessen war es ihm gelungen, für so viel Unruhe in der Stadt zu sorgen, dass ihn die Polizei in Gewahrsam genommen und in die Ausnüchterungszelle gesteckt hatte.
    Jetzt radelte Uolevi nach Hause, in trüben Gedanken, ohne Geld, das Gesicht voller blauer Flecken und einen schmerzenden Bußgeldbescheid als Souvenir in der Tasche. Gerade als die Sonne unterging, erreichte er das Panzermuseum Parola, genau zu dem
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