Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer der Frauen

Der Sommer der Frauen

Titel: Der Sommer der Frauen
Autoren: Mia March
Vom Netzwerk:
ist Ihre irgendwie im Spamordner gelandet. Es tut mir schrecklich leid, vom Gesundheitszustand Ihrer Mutter zu hören. In all den Jahren ist kein einziger Tag vergangen, an dem ich nicht an Lolly dachte. Ich würde gerne so bald wie möglich kommen, vorausgesetzt, das ist in Ordnung. Ich lebe in Brunswick, ich kann also sofort los.
    Ich bin sehr froh, dass Sie mir geschrieben haben.
    Alles Liebe, Harrison Ferry
    Kat zog Isabel eng an sich, sie sahen sich an und umarmten sich noch einmal. «Nicht ein einziger Tag in all den Jahren, an dem er nicht an Lolly gedacht hat», sagte Kat. Sie wäre am liebsten auf- und abgehüpft wie ein Gummiball.
    «Er klingt nett», sagte Isabel. «Gott sei Dank!»
    Kat setzte sich an den Schreibtisch und schrieb zurück. Er könne kommen, wann immer er wolle. Heute? Morgen?
    Keine zwanzig Minuten später antwortete er. Er würde am Abend kommen.
    *****
    Kat trug das Frühstückstablett in Lollys Zimmer, Rührei auf Toast, was Lolly so liebte, dazu eine Schale Beeren und eine Tasse Kamillentee. June hatte die Nachtwache gehalten und mit einem dicken Roman auf der Chaiselongue gelegen, als Kat eine Stunde zuvor zum ersten Mal den Kopf zur Tür hereingesteckt hatte. Lolly war zu schwach gewesen, um sich in den Rollstuhl zu setzen und sich dem fröhlichen Geplapper in der Küche anzuschließen, und so bekam sie jetzt ihr Frühstück ans Bett.
    «Mhm, riecht das gut! Ich geh auch mal was essen.» June küsste Lolly auf die Wange. «Ich hoffe, es gibt Speck.»
    «Falls Charlie nicht schon alles aufgegessen hat», sagte Lolly lachend. «Beeil dich lieber.»
    Im Vorbeigehen flüsterte Kat ihrer Cousine zu: «Isabel muss dir was erzählen!», und June schlüpfte hinaus.
    Kat stellte Lolly das Tablett über die mageren Beine und setzte sich auf den Bettrand.
Sag es ihr. Los. Ohne viel Tamtam
, wie ihre Mutter zu sagen pflegte.
Sag es einfach.
    «Riecht das köstlich!», sagte Lolly und nahm einen Bissen Toast.
    «Mom, du bekommst heute Abend Besuch», platzte Kat mit geschlossenen Augen heraus. Als sie die Augen wieder aufmachte, war ihre Mutter damit beschäftigt, sich zwischen einer Himbeere und einer Blaubeere zu entscheiden.
    «Wer kommt denn?»
    «Harrison Ferry.»
    Die Himbeere kullerte zurück aufs Tablett. «Was hast du gesagt?»
    «Ich habe ihm eine Mail geschickt, und er kommt.»
    «Du hast ihm eine Mail geschickt, und er kommt?», wiederholte Lolly. «Harrison kommt hierher?»
    Kat nickte und wappnete sich für die Frage, die jetzt kommen würde.
    «Weiß er, dass ich Krebs habe?»
    «Ja, Mom.»
    «Harrison kommt?» Lollys blaue Augen füllten sich mit Tränen. Sie schlug die Hand vor den Mund und wandte den Blick zum Fenster. June hatte schon die Vorhänge aufgezogen, um den grauen, regnerischen Tag hereinzulassen.
    Kat hielt den Atem an. Sie wusste nicht, ob ihre Mutter böse sein würde, weil sie hinter ihrem Rücken einfach Kontakt zu ihm aufgenommen hatte, ihre Nase ungefragt in Lollys Angelegenheiten steckte, ob sie vielleicht sagen würde, sie wünschte, sie hätte Kat nie etwas davon erzählt.
    «Hilfst du mir, mich hübsch zu machen?»
    Kat stieß einen erleichterten Seufzer aus. «Du bist immer hübsch, Mom. Aber ich helfe dir gerne, heute umwerfend auszusehen.»
    Lollys Lächeln schien ganz tief aus ihrem Inneren zu kommen, und Kat wusste, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.
    *****
    Harrison Ferry sah aus wie ein älterer Bruder von Pierce Brosnan. Er war Ende fünfzig und sehr attraktiv, groß und schlank, mit dunklem, fast völlig graumeliertem Haar. Er wirkte distinguiert und verwegen zugleich und kam mit einem wunderschönen Strauß dunkelvioletter Iris. Kat verschwendete nicht allzu viel Energie darauf, sich ihre Mutter zusammen mit diesem Mann vorzustellen, heimlich, während Kats Vater ahnungslos mit ihr auf irgendwelchen Jahrmärkten gewesen war, so wie Meryl Streeps Mann mit seinen Kindern in
Die Brücken am Fluss
. Ihre Mutter hatte diesen Mann geliebt, und alles andere war nicht mehr wichtig.
    Lolly hatte Kat gebeten, Harrison in ihr Zimmer zu bringen, wenn er kam, damit sie ungestört sein konnten. Die letzten paar Stunden hatten Isabel, June und Kat damit verbracht, um Lolly herumzutanzen, hatten so lange Kopftücher ausprobiert, bis Lolly zufrieden war, hatten ihr ein wenig Make-up aufgelegt, eine Spur Puder und etwas Rouge, dazu braune Wimperntusche, hatten mit viel Umsicht Augenbrauenfarbe aufgetragen, um die fehlenden Brauen zu kaschieren, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher