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Der Sommer der Frauen

Der Sommer der Frauen

Titel: Der Sommer der Frauen
Autoren: Mia March
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würde. Ganz gleich, ob es ein leibliches Kind sein würde, ob es adoptiert oder ein Stiefkind sein würde. Aber sie würde ein Kind haben, ein Kind, das sie lieben und bemuttern konnte.
    Sie würde eine gute Mutter sein. Daran zweifelte sie nicht mehr. Und das nicht, weil die Säuglingsschwester, die für sie zuständig war, in den letzten Wochen gleich zwei derartige Bemerkungen gemacht hatte. Auch nicht, weil Griffin genau das zu ihr gesagt hatte, als sie an dem Abend nach der großen Krise mit Alexa endlich den schon lange versprochenen Abendspaziergang gemacht hatten – dem inzwischen viele weitere gefolgt waren. Nein, sie wusste, dass sie eine gute Mutter sein würde, weil sie zu echter Liebe fähig war. Weil sie in der Nacht, als Lolly ins Krankenhaus gekommen war, an ihrem Bett Wache gehalten hatte, während die lebensbedrohliche Infektion in ihrem geschwächten Körper tobte. Weil sie Kat im Arm gehalten hatte, die außer sich gewesen war vor Angst, während Isabel fast das Herz brach aus Mitgefühl für ihre geliebte Cousine. Weil sie ihre Schwester getröstet hatte. Pearl in den Arm genommen hatte. Sie liebte diese Menschen. Sie hatte echte Liebe in sich. Um eine gute Mutter zu sein, brauchte man das mehr als alles andere. Man musste fähig sein zu lieben. Alles andere ergab sich daraus.
    Bei Dienstschluss blieb Isabel im Hinausgehen kurz am Fenster zur Säuglingsstation stehen, um einmal mehr die winzigen Gesichter zu bewundern, die unter den weißen Häubchen und den gestreiften Deckchen hervorlugten. Noch vor zwei Monaten hatte sie weinend hier gestanden und nicht mehr gewusst, wer sie war.
    Sie lächelte einem kleinen Mädchen zu.
Nur du entscheidest, wer du bist
, sagte sie leise zu dem kleinen, schlafenden Gesicht.
Lass dir niemals von anderen einreden, wer du bist.
    *****
    Am Abend schaute Isabel kurz bei ihrer Tante rein. Lolly schlief tief und fest, dabei war es noch nicht mal halb acht. In den Tagen zwischen der Infektion und der zweiten Chemotherapie, für die sie endlich grünes Licht bekommen hatte, war Lolly so müde gewesen, dass es ihr zunehmend schwerer fiel, aufzustehen. Sie besaß inzwischen eine Gehhilfe und saß gerne an dem großen Panoramafenster in ihrem Zimmer, das auf den Garten hinausging. Am liebsten sah sie Charlie und Happy beim Spielen zu. Einmal hatte sie aus vollem Halse gelacht, als der Stock in einem Laubhaufen gelandet war, den Kat zusammengerecht hatte, und die Blätter in einem bunten Wirbel durch die Luft flogen. Happy hatte aufgeregt gebellt, und Charlie hatte es mit beiden Händen rote und gelbe und leuchtend orangene Blätter regnen lassen.
    Kat hatte es sich auf der Chaiselongue bequem gemacht, die sie vor ein paar Wochen, als klarwurde, dass Lolly ab sofort rund um die Uhr betreut werden sollte, ins Zimmer gestellt hatten. Kat hatte ein Kissen im Rücken und hielt ihren Skizzenblock auf den Knien. Sie saß an dem Entwurf für eine Hochzeitstorte. Ihre eigene? Kat sprach in letzter Zeit kaum noch von Oliver oder Matteo, und Fragen nach ihrem Gefühlsleben schmetterte sie mit einem «Möchtest du ein Zimtbrötchen?» oder Ähnlichem ab, weshalb Isabel und June beschlossen hatten, sie in Ruhe zu lassen. Was immer Kat am Ende auch tun würde, Isabel war sich sicher, dass ihre Cousine die Entscheidung aus den richtigen Gründen treffen würde. Alles andere war nicht so wichtig.
    Pearl steckte den Kopf zur Tür herein und sagte, sie würde auf ein Stündchen bleiben. Nach einer herzlichen Umarmung gingen Isabel und Kat hinunter in den Aufenthaltsraum, wo June auf Knien damit beschäftigt war, die Überreste einer Käseplatte vom Boden zu klauben, die ein Gast versehentlich umgeworfen hatte. Isabel und Kat halfen ihr, dann setzte sich jede von ihnen auf ihren Lieblingskinoabendplatz.
    Isabel musterte die DVD -Sammlung. Lollys heißgeliebte, oft gesehene Meryl-Streep-Kollektion nahm ein ganzes Regalbrett ein. «Heute Morgen hat Lolly gesagt, sie würde diesen Freitag gerne
Jenseits von Afrika
sehen.» Sie stand auf, holte die DVD und setzte sich wieder auf das Zweiersofa.
    Kat fing an zu weinen. «Sie stirbt. Ich weiß es. Das ist ihr absoluter Meryl-Streep-Lieblingsfilm. Sie hat
Jenseits von Afrika
nur ein einziges Mal gesehen und gesagt, der Film würde ihr so viel bedeuten, dass sie ihn nie wieder sehen könnte. Wenn sie jetzt sagt, sie will ihn sehen, heißt das …»
    Isabel und June standen auf und setzten sich neben Kats Sitzsack auf den Fußboden. «Sie macht
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