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Der Sommer deines Todes

Der Sommer deines Todes

Titel: Der Sommer deines Todes
Autoren: Kate Pepper
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Jungs sind blond und sehen sich sehr ähnlich. Ich mustere sie und komme zu dem Ergebnis, dass der Junge mit den kantigen Gesichtszügen, der gerade die Karten mischt, keinen besonderen Förderungsbedarf hat, sondern der etwas kräftigere Bursche mit den losen Schnürsenkeln, dem es schwerfällt, auf dem Stuhl sitzen zu bleiben.
    Der Junge, der die neugemischten Karten verteilt, bestätigt meine These. «Okay, Ritchie, jetzt versuchen wir es noch mal.» Daraufhin verliert Ritchie zu unser aller Erstaunen die Beherrschung und fegt sein Blatt von der Granitplatte.
    Erst als Cathy ihm die Hand auf die Schulter legt, beruhigt er sich wieder einigermaßen.
    «Ritchie», erklärt sie geduldig, «wenn Bobby die Karten austeilt, nimmst du sie so auf, wie ich es dir gezeigt habe, ja?»
    «Ja», sagt Ritchie und nickt, während sein Bruder die Karten vom Fußboden aufliest und abermals mischt.
    «Sport funktioniert besser», meint Cathy und holt drei hohe Gläser aus einem Hängeschrank, «aber ich möchte nicht, dass sie den ganzen Tag in der Sonne verbringen.»
    Die Küchengeräte sind so gut hinter den Fronten versteckt, dass man sie kaum bemerkt. Die glänzenden Messingtöpfe und -pfannen, die an einem Regal über der Mittelinsel und nicht in der Nähe des achtflammigen Herdes hängen, wirken eher wie Dekorationsobjekte und nicht wie Küchenutensilien.
    «Selbstgemacht.» Sie reicht uns die Limonade mit Pfefferminzblättern. Bei der Hitze ist das kalte, süßsaure Getränk eine Wohltat. «Die Minze wächst neben dem Poolhäuschen. Also, was hat Sie dazu veranlasst, so weit rauszufahren?»
    «Wir wollten nur nach dem Rechten sehen», sagt Mac.
    «Das ist sehr nett von Ihnen.»
    «Ganz normales Prozedere nach Beendigung eines Auftrags.»
    «Nein, normal ist das nicht. Aber trotzdem vielen Dank.»
    Cathy hat selbstverständlich recht: Normalerweise endet der Kontakt mit einem Klienten nach Zahlung der letzten Rate, aber Mac ist es nicht leichtgefallen, die Millerhausen-Ermittlung wegen der Reise nach Europa zu unterbrechen. Insgeheim befürchtet er, dass seine (und meine) Ungeduld Cathy den Eindruck vermittelt hat, wir würden sie im Stich lassen. Und obwohl es uns auf Sardinien gelungen ist, Millerhausen zu entlarven, schämt sich Mac dafür, Cathys Anliegen vernachlässigt zu haben, weil er sie für eine eifersüchtige, paranoide Ehegattin hielt.
    Cathy bringt einen Stuhl zur Mittelinsel und setzt sich. Wir gesellen uns zu ihr. Die Zwillinge kriegen das Kartenspiel nicht in den Griff und geben schließlich auf. Nachdem sie ihr Eis aufgegessen haben, verlässt Bobby, gefolgt von Ritchie, die Küche.
    «Wann fängt hier die Schule wieder an?», frage ich.
    «Später, als mir lieb ist», klagt Cathy. «Zumindest für Bobby. Ritchie wird das ganze Jahr über betreut. Anita, seine Sprachtherapeutin, müsste jeden Moment hier eintreffen.»
    «Wie läuft es mit der Scheidung?», erkundigt sich Mac.
    «Sie wurde noch gar nicht in die Wege geleitet. Mein Anwalt prüft, ob es vielleicht besser wäre, wenn ich mich erst später offiziell von Godfrey trenne.» Ich ziehe die Augenbrauen hoch, was ihr nicht entgeht. «Komisch, nicht wahr? Aber solange ich mit ihm verheiratet bin, habe ich Zugriff auf Godfreys persönliches Vermögen. Das ermöglicht es mir, ganz legal Gelder abzuzweigen und Ritchies Zukunft finanziell zu sichern. Darüber hinaus kann ich die Vormundschaft regeln für den Fall, dass mir etwas zustößt. Kurz gesagt, mir bleibt Zeit, alles zu arrangieren. Und ich habe beschlossen, eine Stiftung zu gründen, die über seine Krankheit forscht, was mir wirklich sehr am Herzen liegt.»
    «Das ist eine großartige Idee», finde ich.
    Sie berührt Macs Handrücken. «Ich muss zugeben, dass ich nicht dachte, dass diese Geschichte so enden würde, aber Sie … Sie haben mir geholfen und, wenn man’s genau betrachtet, auch vielen anderen Kindern, denen es wie Ritchie geht.»
    Mac wendet den Blick von Cathy ab, betrachtet kurz die Küchenschränke und sieht mich an. Es fällt ihm sichtlich schwer, seine Gefühle im Zaum zu halten.
    In dem Moment läutet es an der Tür.
    «Das wird Anita sein.» Cathy erhebt sich.
    Wir gehen mit ihr zur Tür, reichen uns zum Abschied die Hand. «Danke», sagt sie, «und lassen Sie mal wieder von sich hören.»
    Eine junge Frau mit einer vollgestopften Leinentasche grüßt Cathy auf dem Weg nach oben zu Ritchies Zimmer.
    «Falls Sie Bobby sehen», ruft Cathy ihr hinterher, «sagen Sie ihm, er soll
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