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Der Sohn meines Feindes

Der Sohn meines Feindes

Titel: Der Sohn meines Feindes
Autoren: France Carol
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zu halten. Wie es sich angefühlt hatte, nicht allein zu sein.
    Genervt warf Tomek den Zigarettenstummel fort. Dass Luca ihn nun zwang, all diese Erinnerungen wieder aufleben zu lassen, war ein Grund mehr ihn zu hassen!
    ***
    Als Luca knapp eine Woche später von der Schule nach Hause kam, fand er die Wohnung verwaist vor. Kein Erwin! Um Tomek nach dessen Verbleib  zu fragen, ging er hinunter ins Tattoo-Studio, das jedoch geschlossen war.
    Zurück in der Wohnung lief Luca direkt in Erwins Zimmer, wo mehrere herumliegende Tupfer und Kanülen darauf hinwiesen, dass hier eine medizinische Erstversorgung erfolgt war. Es machte den Anschein, als ob Erwin ins Krankenhaus eingewiesen wurde. Schnell suchte er die Nummer der nächstgelegenen Klinik heraus und frage nach Erwin. Tatsächlich hatte er beim ersten Anruf Glück und machte sich ohne Zögern auf den Weg, um ebenfalls zu Erwin ins Krankenhaus zu gehen.
    In der Wartezone der Notfallstation sass Tomek, den Kopf in die Hände gestützt. Dieser verzweifelte Anblick versetzte Luca einen Stich, und obwohl er wusste, dass Tomek von ihm keine Unterstützung wollte, setzte er sich neben ihn und legte einen Arm um seine Schultern. Wider Erwarten wehrte sich Tomek nicht dagegen.
    „Was ist geschehen?“
    Tomek schüttelte niedergeschlagen den Kopf und sah Luca an. „Er hatte Fieber, und als Helen kam hat sie festgestellt, dass er kaum Urin ausgeschieden hatte. Sie hat sofort die Ambulanz gerufen. Ich bin erst seit knapp einer Stunde hier. Auf dem Transport gab es anscheinend weitere Probleme, aber genaueres weiss ich noch nicht.“
    „Dann heisst es wohl warten. Sicher werden wir bald Näheres erfahren“, sagte Luca aufmunternd.
    Müde liess sich Tomek nach hinten fallen. „Du musst nicht hier bleiben. Ich schaff das schon alleine.“
    Luca griff nach seiner Hand und drückte sie leicht. „Nein, Tomek, ich bleibe. Ich mag Erwin auch sehr gerne.“
    Gerade als Tomek zu einer Erwiderung ansetzen wollte, ging die Schiebetür auf und ein Arzt trat hinaus, um sich nach Erwins Begleitung zu erkundigen. Schnell stand Tomek auf und ging auf den Arzt zu. Luca folgte ihm und konnte an dem ernsten Gesichtsausdruck des Arztes erkennen, dass dieser keine guten Nachrichten für sie bereithielt.
    Der Arzt stellte sich kurz vor und führte sie zu einer Kabine, in der Erwin mit geschlossenen Augen dalag und schlief. Durch zahllose Drähte und Schläuche war er mit Maschinen verbunden. Luca konnte sehen, wie Tomek kurz den Atem anhielt und offensichtlich um seine Fassung rang.
    „Es sieht schlecht aus“, sagte der Arzt leise, „die Werte sind miserabel und sie wissen ja, dass eine Patientenverfügung vorhanden ist, die uns in diesem Fall hier die Hände bindet.“
    Tomek nickte und griff sanft nach der schlaffen Hand von Erwin. „Er will keine lebenserhaltenden Massnahmen“, flüsterte er mehr zu sich selbst.
    „Wir können nur noch versuchen, dass wir ihn schmerzfrei halten können. Es wird höchstens noch ein paar Tage dauern“, erklärte der Arzt.
    „Kann ich ihn mit nach Hause nehmen?“ Tomek sah den Arzt fragend an.
    „Ich würde Ihnen davon abraten. Hier können wir alles bieten, was ihm die letzten Stunden zumindest erleichtern wird“, erwiderte der Arzt.
    Plötzlich öffnete Erwin schwerfällig die Lider. „Tomek“, flüsterte er, „lass gut sein, ich habe hier alles, was ich brauche.“
    Tomek strich Erwin sanft die Haare aus der Stirn. „Ich habe dir versprochen, dass du zu Hause dein letztes Stündchen schlagen hörst, hast du das vergessen?“
    Mit einem Lächeln sah Erwin Tomek an. „Junge, ich bin zu müde, um nochmal nach Hause zu kommen. Lass es mich hier zu Ende bringen, ja?“ Und an Luca gewandt sagte er: „Du wirst auf ihn achtgeben, nicht wahr?“
    Luca nickte, zu Worten war er nicht fähig. Die Erkenntnis, dass er gestern Abend das letzte Mal mit Erwin im Wohnzimmer gesessen und geplaudert hatte, schnürte ihm die Kehle zu.
    „Ich werde dir ein paar Dinge holen und komme später nochmal vorbei, okay?“, sagte Tomek liebevoll zu Erwin.
    „Mach das, mein Junge, ich bin müde und werde noch etwas schlafen. Bestimmt bin ich später gesprächiger“, antwortete Erwin. Man konnte ihm anmerken, dass ihn das Sprechen anstrengte.
    Zusammen mit Tomek verabschiedete sich Luca und fuhr mit ihm nach Hause. Auf der Fahrt blickte er Tomek von der Seite an, dessen Gesichtsausdruck nicht zu deuten war. Die perfekte Fassade. Er sollte auf ihn achtgeben, hatte Erwin
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