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Der Sohn des Apothekers (German Edition)

Der Sohn des Apothekers (German Edition)

Titel: Der Sohn des Apothekers (German Edition)
Autoren: Ulrich Hefner
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zwei Wagen auf, die mitten auf dem Kirchplatz standen. Drei
junge Männer lehnten an dem einen, einem schwarzen Golf. Jeder hatte eine
Bierflasche in der Hand. Im anderen Wagen, einem blauen Honda, saßen zwei
Mädchen. Justin schätzte alle fünf auf Anfang zwanzig. Wohl die Dorfjugend, die
sich hier versammelte.
    Im Klosterkrug lief ihm die Wirtin über den Weg. »Na,
hatten Sie Erfolg?«, fragte sie spitz.
    »Erfolg?«
    Die Wirtin zeigte auf den Fotoapparat. »Haben Sie schöne Bilder
gemacht?«
    »Ach so«, antwortete Justin. »Ja, sicher.«

4
    Trevisan war gegen vier Uhr eingeschlafen. Als ihn der
Wecker um acht unsanft aus dem Tiefschlaf riss, brauchte er eine Weile, um sich
zurechtzufinden. Gestern Abend hatte er beinahe eine Stunde lang mit Paula
telefoniert, die in Irland mit ihrer Therapiegruppe auf dem Shannon eine
Bootstour machte und gegen Abend Banagher, das erste Etappenziel, erreicht
hatte. Sie fühlte sich wohl. Trevisan hatte aufgeatmet, denn zu Beginn der
Woche hatte sie sich noch traurig angehört. Diesmal hingegen hatte sie beschwingt
geklungen und sogar gescherzt.
    Nach dem Telefonat hatte er sich ein einfaches Mahl zubereitet
und sich dann die drei Ordner angesehen, die er aus dem Büro mitgenommen hatte.
Kriminaloberrat Volkmar Dittel, der Leiter der Sonderkommission, war im Jahr
2001 pensioniert worden, doch er lebte noch immer in der Nähe von Hannover.
Trevisan hatte sich die Adresse aus dem Telefonbuch notiert. Ein Gespräch mit
dem Mann würde nicht schaden. Trevisan lümmelte sich auf die Couch, hatte eine
CD mit klassischer Musik eingelegt und arbeitete sich Blatt für Blatt durch die
Ordner mit den Ermittlungsergebnissen der Soko Radtour. Er hatte einen Notizblock
bereitgelegt, um auftauchende Fragen oder Unklarheiten zu notieren. Als er sich
todmüde in sein Bett schleppte, war dieser Block vollgeschrieben mit Unstimmigkeiten
und Rätseln.
    Natürlich waren die Ermittler damals davon ausgegangen, dass
die beiden Mädchen unweit des Bannsees ermordet und ihre Leichen irgendwo in
der Umgebung versteckt worden waren. Es gab am Steinhuder Meer zahlreiche
Moore, Wasserläufe und Tümpel. Doch der Fund des Rucksacks bei Walsrode hatte
damals diese Theorie erschüttert. Das Auftauchen der jungen Frau in der Nähe
von Flensburg hatte nun alles durcheinandergebracht und sämtliche Vermutungen
der Ermittler von damals über den Haufen geworfen. Jetzt erschienen manche
Dinge in einem ganz anderen Licht und warfen neue Fragen auf.
    Ausgestattet mit den drei Ordnern betrat Trevisan gegen zehn
Uhr die Dienststelle in der Schützenstraße und fuhr mit dem Fahrstuhl in den
dritten Stock. Lisa saß bereits am Computer im Soko-Raum und übertrug Daten in
die Datenbank.
    »Guten Morgen, Chef.« Sie blickte nur kurz auf, bevor sie
weiter auf die Tastatur tippte.
    »Was machst du gerade?«, fragte Trevisan.
    »Spur Nummer 64«, murmelte sie. »Antragungsspuren am Fahrrad
des Opfers Sommerlath, bestehend aus Torf und feuchter Erde, Lage Pedal rechts,
unten.«
    »Ich sehe, du hast dich mit dem Programm schon angefreundet«,
scherzte Trevisan.
    »Es fehlen drei Ordner.«
    Trevisan trat neben sie und stellte die Ordner auf dem langen
Konferenztisch ab. »Ich frage mich, wieso die Täter die Räder neben einem
Waldweg sichtbar liegen ließen. Sie hätten sie doch einfach nur in eine
Torfgrube werfen müssen. Und wenn sie überhaupt keine Spuren hinterlassen
wollten, dann wäre es doch auch möglich gewesen, sie einfach mitzunehmen.«
    »Mitzunehmen?«, wiederholte Lisa ungläubig.
    »Es ist eine Sache, jemanden
umzubringen und die Leiche abzutransportieren – auch zwei Leichen lassen sich
gut in einem Kofferraum unterbringen. Aber wenn ich zwei Menschen entführen
will, die sich das bestimmt nicht gefallen lassen, dann muss ich ausreichend Manpower
und Platz haben.«
    Lisa dachte angestrengt nach. »Zwei Täter und ein Bus, ein
Transporter oder so ähnlich«, folgerte sie nach einem Moment.
    »Das wäre eine Möglichkeit und da könnte ich auch die Räder
entsorgen und müsste sie nicht auf einem Waldweg in Tatortnähe liegen lassen.«
    »Woher willst du wissen, dass die Räder in Tatortnähe lagen?«,
fragte Lisa.
    »Das Kettchen eines der Mädchen«, antwortete Trevisan. »Der
debile Sohn des Apothekers hat die damaligen Ermittler an eine Stelle geführt,
die an einer kleinen Lichtung liegt, Luftlinie etwa dreihundert Meter südlich
des Bannsees. Und in der Nähe lagen auch die Räder in einem Gebüsch
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