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Der Sog - Thriller

Titel: Der Sog - Thriller
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Haut bedeckt oder bestand aus Blättern. Die Kiefer waren massiv und ochsenähnlich, Ranken hingen wie Luftwurzeln daran herunter. Mächtige Hauer in der Form von Eichenblättern stießen aus den Winkeln der breiten, lederartigen Lippen. Riesige Nüstern blähten sich. Und Augen, dunkel wie das Wasser tiefer Brunnen, spiegelten das Mondlicht. Augen, die zugleich menschlich waren und doch zutiefst unmenschlich – unergründlich wie der Winterhimmel, hungrig wie die eines Adlers. Und alt. Sehr alt.
    Es war das Gesicht, das er im Walpole Park gesehen hatte. Das Gesicht, das er in Stein und Holz geschnitzt in Brethertons Kirche gesehen hatte.
    Der Grüne Mann.
    Nicholas’ Körper war steif vor panischer Angst, grellem Entsetzen, Delirium … Sein Fleisch wusste, was die Kreatur vor ihm war; es wusste auf einer fundamentalen, in den Zellen verankerten Ebene, was es roch und vor sich hatte, und hätte sich in die Erde zu graben begonnen, wäre es nicht wie versteinert gewesen vor Grauen.
    Der Grüne Mann blieb auf halbem Weg zwischen Hannah und Nicholas stehen.
    Er war höher als die Bäume. Er hob den Kopf, und seine Nasenlöcher blähten sich. Die Luft geriet in Bewegung. Die Bäume glänzten vor Vergnügen und öffneten ihre feuchten Blätter in düsterer Freude. Dann wandte der Grüne Mann den Kopf in die Richtung, in die Quill geflohen war … zu ihrer Hütte.
    Ein schwaches Geräusch. Hannah stöhnte leise.
    Sie wälzte sich herum. Ihr Blick fand Nicholas.
    Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber nur ein Zischen kam über seine Lippen.
    Hannah blickte auf.
    Der Grüne Mann ragte vor ihr auf und ließ sie klein wie ein Kätzchen erscheinen. Er scharrte mit den Hufen und schnaubte, ein warmer Luftstoß, der so scharf roch wie der Waldboden.
    Hannah lächelte und schloss die Augen.
    Der Grüne Mann bückte sich und hob sie auf.
    » Hannah …«, flüsterte Nicholas.
    Der Grüne Mann wandte sich bei dem Geräusch um. Sofort stampfte er mit drei gewaltigen Schritten zum Käfig, eine gewaltige Welle, kurz davor, sich zu brechen. Er brachte sein breites, dunkles Gesicht genau vor Nicholas’.
    Sein Geruch war überwältigend. Erotisch und auf irre Art schrecklich; ein Geruch nach Hunger und Fäulnis, Alter und Wollust. Seine grünen Lippen teilten sich und ließen Zähne, groß wie Ziegel und hart wie Elfenbein sehen, ziegenartig und scharf.
    Nicholas starrte in die Augen. Augen groß wie Untertassen, ohne Weiß darin. Riesige dunkle Steine, die vor Intelligenz und Gewalttätigkeit funkelten.
    Und der Grüne Mann lachte glucksend.
    Die warme, stinkende Luft aus seinem Mund peitschte über Nicholas hinweg wie ein Sturmwind durch reife Brombeeren.
    Nicholas verdrehte die Augen in den Kopf zurück, und die nächtliche Welt wurde schwarz wie die Mitte der Erde.

44
    Hannah genoss das wundervolle Gefühl. Sanft über der Erde zu schweben. Zu fliegen.
    Sie fühlte die kühle Luft in ihrem Gesicht, die warmen Blätter unter ihren Beinen und ihrem Rücken. Sie sah, dass wieder Wolken am Himmel aufzogen, wie eine dunkle Welle wälzten sie sich auf den Mond zu. Noch mehr Regen, dachte sie träge und schmiegte sich wieder in ihr warmes Bett aus Farnen.
    Doch die Reise dauerte nicht lange. Sie segelte am Dach von Quills Hütte vorbei und sah, wie der Schatten der Wolken darüber hinwegraste und es in trübes Dunkel tauchte. Dann wurde sie heruntergelassen und auf ihre Füße gestellt.
    » Ach«, beschwerte sie sich fast schon.
    Aber die Hände waren verständig. Die Erde war gut. Und – ach! – der Geruch. Der Geruch war göttlich! Ein köstliches Gemisch aus Vanille, neugeborenen Hundewelpen, Jasmin, süßem Schweiß und Seiner Haut. Er hatte sie abgesetzt, und das war gut. Denn es galt, eine Aufgabe zu erledigen.
    Natürlich!
    Hannah stand neben der geschlossenen Kellertür. Wie viel Zeit war vergangen, seit sie da drin eingeschlossen gewesen war? Eine Stunde? Ein Jahr? Es war ein Traum, der mit dem Aufwachen verloren gegangen war. Aber da unten war jetzt etwas, um das man sich kümmern musste.
    Jemand.
    Sie wandte den Kopf, um den anzusehen, der sie getragen hatte, um zu fragen …
    Aber seine festen, großen Hände hielten sie sanft, verhinderten, dass sie sich umdrehte, brachten ihre Frage zum Verstummen. Und dann sah sie es.
    Ah! Wie schlau!
    Auf dem Boden stand Nicholas’ Sporttasche.
    Ich werde das richtig machen, dachte Hannah; sie war insgeheim aufgeregt, da sie wusste, dass Er ihre Arbeit beobachten würde. Um Ihm
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