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Der Sodomit

Der Sodomit

Titel: Der Sodomit
Autoren: S.B. Sasori
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wenigen Lehrsätze, die ihm spontan zu der Krankheit einfielen.
    Sie überschwemmte weite Teile des Landes in kurzer Zeit.
    Dem hohen Fieber und der Schwäche mit starken Kopfschmerzen folgten sofort dunkle Beulen an Hals, Achseln und Leisten. Brachen sie auf, stank es erbärmlich. Der Tod griff bereits nach dem dritten Tag seine Opfer, nur, um zum nächsten überzuspringen.
    So viel zu Variante eins. Es gab auch noch eine zweite. Die betraf die Lunge, brachte keine Beulen hervor, endete aber ebenso tödlich.
    Tamás dozierte von Sühne und Versuchung, nannte sämtliche Vergehen der Menschheit, mit denen Gottes Strafe auf sie gezogen würde. Das Gasthaus in Visegrád verwandelte sich in ein dunkles Verlies mit direktem Eingang zur Hölle.
    Sara schaute mit gerunzelter Stirn aus ihrer Küche zu ihnen hinüber und jedes Mal, wenn Tamás eine neue Sünde aufzählte, zuckte sie zusammen. Ihrem erschrockenen Blick war abzulesen, dass sie die meisten Vergehen auf Tamás’ Liste mehr als nur vom Hörensagen kannte.
    Bence hing an den Lippen seines Kollegen und verschlang jedes Wort aber beide übersahen, was die Pest tatsächlich war. Nach wie vor eine Krankheit. Es musste einen Weg geben, sie heilen zu können. Nicht heute, vielleicht auch nicht morgen aber irgendwann war sie fällig.
    Von Rechts wegen fielen Krankheiten in Bences und Tamás’ Aufgabenbereich. Wie sie selbst ihm oft genug mitteilten, war er ausschließlich fürs Grobe zuständig.
    Eine Ahnung sagte ihm jedoch, dass sich beide nicht um diese Pflicht reißen würden.
    Die Gebrechen der Welt fordern uns heraus.
    Bei diesen Worten hatte sich sein Vater die Ärmel hochgekrempelt.
    Das Leid wartet nur darauf, von Menschen wie uns gelindert zu werden. Das ist ein Handwerk. Willst du es zum Meister bringen, musst du es üben.
    Nicht für diese, aber für zahlreiche andere, der Kirche widersprechenden Ansichten war er der Häresie überführt und verbrannt worden. Gut, dass er heimlich Leichname beschafft und noch heimlicher seziert hatte, mochte auch eine Rolle bei seiner Verurteilung gespielt haben. Eventuell auch die Tatsache, dass er auf dem Marktplatz von Prag öffentlich, weil sturzbetrunken, herausgeschrien hatte, dass Gott eine billige Dirne sei, die um die Schicksale der Menschen Würfel spielte.
    In dieser Nacht war einer seiner Freunde unter dem Seziermesser gestorben, das er geführt hatte.
    Der damalige Administrator ließ diesen Schicksalsschlag nicht als Entschuldigung gelten.
    Mihály floh.
    Der herangewachsene Sohn eines ehemaligen Arztes, dann Ketzers, war der Inquisition ein Dorn im Auge. Weit kam er nicht. Aus einem simplen Grund. Er war ein guter Wundarzt und damit war er heiß begehrt.
    Mihály Szábo.
    Ausgebildet von seinem Vater Ádám Szábo. Einer Legende unter den Wund- und Feldärzten und ein unübertroffen emsiger Schüler und Freund der Naturwissenschaften. Dass Ádám nie eine Universität von innen gesehen hatte, hielt ihn nicht davon ab, zu studieren. Am Menschen. Sowohl am Toten als auch am Lebendigen.
    „Die Pest wird verursacht durch übel riechende Winde.“ Tamás kratze sich an der Stelle, die eben noch von einem Krabbeltier besucht worden war. „Die kommen aus Asien. Also wenn es stinkt in der Luft, schließt die Fenster. Nur die nach Norden hin dürfen geöffnet werden. Aus dieser Himmelsrichtung kommen allzeit gute Winde. Das hat mein werter Kollege aus Buda auch geraten.“
    Es stank immer. Auch hier. Aus Tamás’ Richtung nach saurem Bier, aus Bences nach altem Schweiß. Ob Mihály einen Teil seines Seifenvorrates an die beiden abtreten sollte? Gegen einen Aufpreis würde Sara ihnen sicherlich den Zuber zu Verfügung stellen.
    „Aber nein!“ Bence sprang auf. Vor Eifer leuchtete seine Nasenspitze rot. „Es ist das Ungleichgewicht der Körpersäfte. Wir müssen beim Elementaren eingreifen. Bekömmliche Diäten, würziges Räucherwerk und fleißiges Aderlassen. Dort liegt das Heil! Das vermutet wiederum mein geschätzter Kollege aus Pest.“
    Aderlass, um die Gesunden zu schwächen, damit sie umso schneller der Seuche erlagen. Um das zu wissen, brauchte er kein Studium. Schlichte Beobachtung genügte. Was blass und müde machte, war niemals gesund.
    Ebenso wenig wie das Furunkel, das Bences Hals zierten. Rotleuchtend und prall mit Eiter gefüllt flehte es um Mihálys zierlichstes Skalpell, um sich endlich über den speckigen Kragen des Wamses entleeren zu können. Ihm zuckte es in den Fingern. Wie hielt es Bence
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