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Der Sieg nach dem Krieg

Der Sieg nach dem Krieg

Titel: Der Sieg nach dem Krieg
Autoren: Oliver Hassencamp
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Wohnungstür Jubel aus. Der Chemiker und ein Helfer schleppten den Gral der guten Laune, die riesige Rührschüssel mit dem Monte Insalata herein, und der schmeckte, wie es sich italienischer nicht denken läßt.
    »Wo habt ihr denn die Mayonnaise her ?« fragten Gäste dutzendfach, während sie nachschöpften. Und noch einmal, ohne mit dem Löffel bis zum Grund vorzustoßen. Freund Boris legte Verdauungsplatten auf — Blues — zur langsamen Weiterleitung im Innern, Bowle half Mayonnaisestaus in der Leber aufzulösen.
    »Jetzt fehlt nur noch ein Becher Eiskrem !« schwelgte einer. Übertrieben war der Wunsch keineswegs. Wer sich in unserer Clique auskannte, dachte sofort an jenen Selbstlosen, der uns mit seinem Traumberuf das Dasein versüßte. Bernie hieß er und arbeitete bei einer Firma, die beschlagnahmt war und Icecream ausschließlich für Amerikaner herstellte. Bernie saß in dem süßen Betrieb am richtigen Platz. Die sahnige Masse kam in Rechtecken zu zwei Kilo aus der Kühlmaschine und wurde zu drei oder vier Blöcken in Schachteln verpackt. Wenn er einige abzweigte, fiel das bei der großen Produktion nicht auf. Das Problem lag anderswo. Wie sie herausschaffen? Hier wußten Freunde Rat. Sie liehen ihm eine Lodenkotze.
    Unter diesem Umhang schleppte er Tag für Tag mehrere Barren zu seinem Fahrrad und fuhr sie, so schnell er konnte in seine Wohnung, wo er mit freudigem Löffelklappern erwartet wurde. Die günstigste Gelegenheit, den kühlen Stoff verschwinden zu lassen, bot sich in der Mittagspause. Bis Dienstschluß hatte er an Festigkeit verständlicherweise eingebüßt. An heißen Tagen kam Bernie oft mit völlig verschmiertem Hemd, bekleckerter Hose und klebrigen Fingern an. Dann gab es eben Cremekaltschale aus Suppentellern. Durchschnittsration, ob weiche oder feste, ein Kilo Icecream pro Kopf . Ein reichliches Abendessen.
    Boris ließ wieder heiße Platten kreisen, die Wohnung bebte, das Fest kletterte seinem Höhepunkt entgegen. Irgend etwas war jedoch anders. Zwischen den Tanzpaaren irrten Nichttänzer herum, die es sonst gar nicht gab. Wie auf ein unbekanntes Ziel gerichtet, bahnten sie sich ihren Weg durch das Gewoge. In Polstersesseln fielen Flecken auf, deren Abdruck sich auf hellen Mädchenkleidern wiederfand. Offenbar hatte sich jemand in etwas hineingesetzt, ohne es zu merken und war nach einem Tanz in den nächsten Sessel gesunken, während andere in den ersten sanken und sich abgestempelt wieder erhoben. Aber warum warnte niemand die noch Unabgestempelten? Und wieso dieses Herumgelaufe? Die Tanzfläche leerte sich, Gäste rüttelten an der abgeschlossenen Badezimmertür, andere stürzten mit stierem Blick und merkwürdig schlingerndem Gang aus der Wohnung oder kamen bleich zurück.
    Die Musik brach ab, niemand hob den Tonarm von der Auslaufrille. Jemand bekam einen Lachkrampf und schimpfte. »Dieser Idiot! Hat das Salatöl vergessen und einfach Rhizinus rein !«

Süße Fracht

    A uch mit den Besatzungsmächten war kein ew’ger Bund zu flechten...
    Mancher hatte einen Vertrauten aus Übersee, insbesondere, wenn er bei der Militärverwaltung arbeitete, einen Kameraden, der ihm heimlich half, das Dasein zu erleichtern. Es gab Soldaten und Offiziere mit denen man deutsch reden konnte, und sei’s auf englisch . Geschäftliche Beziehungen blühten geräuschlos, bis plötzlich ein Befehl dazwischenkam und in Stunden zerstörte, was sich in Monaten eingespielt hatte.
    Im letzten Moment erfuhr Freund Lutz, daß drei seiner getreuen Kollaborateure aus Bad Tölz verlegt wurden. Aktivitäten mußten gestoppt werden, der Abschied fiel schwer. Nicht nur Geschäftspartner ließen die drei zurück, auch Partnerinnen, die ihnen den Feierabend in der Fremde verschönt hatten. Es gab Tränen und Überlegungen, ob ein Zusammenbleiben trotz der Versetzung möglich sei. Sie liefen, wie das meiste damals, auf ein Tauschgeschäft hinaus: Drei Mädchen gegen einen Zentner Zucker.
    Der deutsche Partner wog alle Risiken gegeneinander ab. Als gehobener Funktionär bei der Besatzungsmacht mit Wagen und Fahrer, konnte er getrost einwilligen. Unter einer Bedingung: Die Auftraggeber mußten das Benzin liefern — für sie eine Kleinigkeit.
    An einem strahlenden Frühherbstmorgen packte Lutz die Beutebräute auf die Rücksitzbank, ließ sich neben dem Fahrer nieder und nannte das Ziel: »Heidelberg !«
    Der alte Opel, während des Krieges bei der Luftwaffe im Dienst, ratterte auf die Autobahn. Bis in den Raum
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