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Der Sieg nach dem Krieg

Der Sieg nach dem Krieg

Titel: Der Sieg nach dem Krieg
Autoren: Oliver Hassencamp
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Abmachung unter Gentlemen.
    Die Nacht wurde eine schlaflose. Immerhin vertrieb die Aufregung den Hunger. War sein Vorgehen richtig gewesen? Reichten die Argumente aus? Hatte er etwas vergessen?
    Im Morgengrauen wichen die Bedenken. Es gab nur eins: Auf der eingeschlagenen Linie bleiben! Seiner Sache scheinbar völlig sicher, erschien er im Tresorraum mit einem Pappkoffer.
    Der Major sah ihn an, sah das Gepäckstück ohne mimische Reaktion und blieb in der ihm zugeschobenen Rolle. Betont höflich zählte er den Pappenstiel von 2,2 Millionen Reichsmark noch einmal zusammen und meinte, die Sache sei okay.
    Freund H. nickte knapp, bestätigte durch Unterschrift den Empfang, packte alles ein und empfahl sich, als verlasse er einen Club. Erst draußen überkam ihn das Zittern. Mit dem Pappkoffer auf der Lenkstange, radelte er durch möglichst kleine Sträßchen.
    Jetzt nur in keine Razzia kommen!
    Er hatte Glück. Unter dem Bett in seinem Zimmer war der Koffer fürs erste sicher. War er das wirklich? Oder wußte die Polizei von den Schwarzhändlern im Haus?
    Aus Wehrmachtsuniformstoff ließ sich Freund H. von einer Freundin zwei Brustbeutel nähen. In die verstaute er den Schmuck. Das große Diadem und die breiten Armbänder gaben ihm einen Hauch von Busen. Doch Jacke und Mantel glätteten die Konturen. Ohne Gepäck, unverdächtig weil mit freien Händen, bestieg er einen Zug, einen Kohlentransport, der ihn zu den Erben dampfte. Noch ein längerer Fußmarsch, dann endlich wich der Druck von seiner Brust. Die reiche Familie freute sich über alle Maßen. Doch sie war gerade sehr arm. Erst nach der Währungsreform konnte sie sich revanchieren.

Aus dem Vollen schöpfen

    Es wimmelte von Verordnungen. Trotz mangelhafter Information wußte man, was man wußte, was einem zustand und vor allem, was man nicht durfte. Bei jedem Befehl und Verbot gab es Ausnahmen, die meisten entstanden im Eigenbau. Sie übertrafen das, was eigentlich erreicht beziehungsweise verhindert werden sollte, bei weitem. Ignorieren war lebenswichtig. Zumindest half es, sich den Spaß nicht verderben zu lassen, der uns absolut lebenswichtig erschien. Wir hatten kompetente Vorbilder. Die Amerikaner selbst hielten sich nicht unbedingt an das, was ihre Führung verordnete.
    Während der strengen Phase am Anfang, als ihnen jeder Kontakt zu Deutschen untersagt war, brachten die Verhältnisse zwangsläufig manches Verhältnis mit sich. Da traf einer aus unserer Clique, der spätere Architekt und Karikaturist Ernst Hürlimann in der Stadt einen Freund, den er lange nicht mehr gesehen hatte. Dieser hatte sich vom Schicksal zu einer wohlhabenden Familie mit Tochter in die Nähe des Starnberger Sees verschlagen lassen und war dort von den Amerikanern an die Luft gesetzt worden, Grund genug, ein Fest zu feiern. Er lud den Ernst umgehend dazu ein. Die Adresse, die er angab, löste nicht unbedingt das aus, was man Vorfreude nennt: Der Gast sollte sich im Hauptquartier der MP, der gefürchteten Military Police an der Ludwigstraße einfinden. Dort werde er alles Weitere erfahren. Im übrigen sei die Einladung geheim.
    Der Ernst nickte förmlich. Das Ausgehverbot schreckte ihn nicht, er saß, mit Schweizer Paß und Schweizer Käse wohlgenährt zwischen den Stühlen. Das milderte die Gefahr, zur genannten Zeit fand er sich in der Höhle des launischen Löwen ein. Der Wachhabende schien Bescheid zu wissen, und gab sich befehlsgemäß wortkarg. Weitere eingeladene Geheimnisträger kamen, Deutsche, zuletzt waren es ungefähr fünfundzwanzig. Alle zeigten besorgte Gesichter. Sie fühlten sich in eine Falle gelockt und rechneten jede Minute mit ihrer Verhaftung.
    Erst als Musiker dazustießen, unter ihnen der Filmkomponist Bert Grund, löste sich die Beklemmung etwas. Man wußte von niemandem, der mit Kapelle verhaftet worden war. Als draußen ein Armeelastwagen vorfuhr und der dunkelhäutige Fahrer hereinkam, um some people abzuholen, beschleunigten die Pulse wieder. Mit muffiger Siegermiene winkte er das Häuflein hinaus. Jeder kannte, zum Teil aus eigener Erfahrung, den traurigen Anblick, wie wehrlose Zivilisten mit einem Militärwagen abtransportiert werden. Stumm kletterten sie hinauf, der Schwarze schloß die Ladeklappe und verschnürte die Plane. An Flucht war nicht zu denken. Dafür sorgte auch das Tempo, das er vorlegte. In jeder Kurve flogen die Verladenen bald nach links, bald nach rechts, wie zu wenige Würstchen in einer großen Dose.
    Einer hatte ein Guckloch
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