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Der siebte Schrein

Der siebte Schrein

Titel: Der siebte Schrein
Autoren: Robert Silverberg
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etwas derart weit von den Inneren entfernt überhaupt hatten) hatte eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit der Kirche - Holzbretter mit unheilvollen rostroten Flecken auf einem Fundament aus Stein.
    Die Glocken hinter ihm raschelten und flüsterten.
    Er ließ den Rotschimmel mitten auf der Straße stehen und ging die Stufen zum Büro mit der Aufschrift GESETZ hinauf. Allzu deutlich bemerkte er die Glocken, die Sonne, die ihm in den Nacken schien, und den Schweiß, der an seinen Seiten hinablief. Die Tür war zu, aber nicht abgeschlossen. Er machte sie auf, wich zusammenzuckend zurück und hob halb die Hand, als die Hitze, die sich im Inneren gestaut hatte, mit einem lautlosen Seufzen entwich. Wenn es in sämtlichen geschlossenen Gebäuden so heiß war, überlegte Roland, würden die Scheunen für die Pferde bald nicht mehr die einzigen verbrannten Skelette sein. Und da kein Regen den Flammen Einhalt gebot (und es mit Sicherheit keine freiwillige Feuerwehr gab, nicht mehr), würde diese Stadt nicht mehr lange auf dem Antlitz der Erde existieren.
    Er trat ein und versuchte, an der heißen Luft zu nippen, statt sie in vollen Zügen einzuatmen. Das leise Summen von Fliegen hörte er sofort.
    Es gab eine einzige Zelle, geräumig und leer, deren Gittertür offenstand. Ein Paar schmutzige Lederschuhe - bei einem waren die Nähte aufgeplatzt - lag unter einer Pritsche, die von derselben rostroten Substanz getränkt war, die er am Wilden Schwein bemerkt hatte. Dies war die Stelle, wo sich die Fliegen tummelten; sie krabbelten über den Fleck, taten sich daran gütlich.
    Auf dem Schreibtisch lag eine Kladde. Roland drehte sie zu sich um und las, was auf dem roten Einband stand:
     
    Register von Missetaten & Wiedergutmachung
in den Jahren unseres Herrn
Eluria
     
    Nun kannte er immerhin den Namen der Stadt - Eluria. Hübsch, aber auch irgendwie verhängnisvoll. Doch unter den gegebenen Umständen, überlegte sich Roland, hätte wahrscheinlich jeder Name verhängnisvoll gewirkt. Er wollte schon wieder gehen, als er eine geschlossene, mit einem Holzriegel gesicherte Tür sah.
    Er ging hin, blieb einen Moment davor stehen und zog dann einen der großen Revolver, die er tief an den Hüften trug. Er blieb noch ein wenig länger mit gesenktem Kopf stehen, dachte nach (sein alter Freund Cuthbert hatte immer gesagt, daß die Rädchen in Rolands Kopf sich langsam, aber äußerst präzise drehten) und schob den Riegel zurück. Er machte die Tür auf, trat sofort zurück, brachte den Revolver in Anschlag und rechnete damit, daß ein Toter (womöglich Elurias Sheriff) mit durchschnittener Kehle und ausgestochenen Augen herausfallen würde, Opfer einer MISSETAT, die auf WIEDERGUTMACHUNG wartete -
    Nichts.
    Nun, ein halbes Dutzend fleckige Overalls, vermutlich für Insassen mit längeren Haftstrafen bestimmt, zwei Bogen, ein Köcher mit Pfeilen, ein alter, staubiger Motor, ein Gewehr, das wahrscheinlich vor hundert Jahren zum letztenmal abgefeuert worden war, und ein Mop . . . aber im Denken des Revolvermanns lief das alles auf nichts hinaus. Nur eine Rumpelkammer.
    Er ging zum Schreibtisch zurück, schlug das Register auf und blätterte es durch. Sogar die Seiten waren warm, als wäre das Buch gebacken worden. In gewisser Weise, dachte er, war es das auch. Wäre die Hochstraße anders angelegt gewesen, hätte er mit einer großen Zahl religiöser Vergehen in den Aufzeichnungen gerechnet, so aber überraschte ihn nicht, daß er keine fand - wenn die Kirche des Jesusmannes zusammen mit zwei Saloons existieren konnte, mußte das Kirchenvolk ziemlich vernünftig gewesen sein.
    Roland fand die üblichen geringfügigen Verstöße und einige nicht ganz so geringfügige - ein Mord, ein Pferdediebstahl, das Behelligen einer Lady (was wahrscheinlich Vergewaltigung bedeutete). Der Mörder war zur Hinrichtung in einen Ort namens Lexingworth gebracht worden. Roland hatte noch nie davon gehört. Ein Eintrag gegen Ende lautete: Grünes Volk von hinnen geschickt. Das sagte Roland nichts. Der letzte Eintrag war folgender:
     
    12/Ve/99. Chas. Freeborn, Viehdieb zur Verurteilung
     
    Die Angabe 12/Ve/99 sagte Roland nichts, aber er dachte sich, daß Ve für Vollerde stehen könnte. In jedem Fall sah die Tinte so frisch aus wie das Blut auf der Pritsche in der Zelle, und der Revolvermann hatte den begründeten Verdacht, daß Chas. Freeborn, der Viehdieb, inzwischen die Lichtung am Ende seines Weges erreicht hatte.
    Er ging hinaus in die Hitze und zu dem
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