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Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Titel: Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
Autoren: Stephen R. Donaldson
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davon.
    Furchtsam senkte er den Blick auf seinen Ring. Zu seinem Unbehagen mußte er feststellen, daß er noch immer pulsierte, als stoße er Schreie der Anfeuerung aus. Unwillkürlich legte er seine rechte Hand darüber, verbarg ihn. Dann setzte er sich im Boot so hin, daß er nach vorn schaute, drehte Bannor und dem Spaltfelsen den Rücken zu, als lege er Wert darauf, seinen Schandfleck jeder erhöhten Aufmerksamkeit vorzuenthalten. Während der Tag schnell verfloß, saß er zusammengekauert und schwach da, starrte in schauderhaftem Gram nach vorn. Er sprach nicht mit Bannor, half ihm nicht dabei, das Wasser aus dem Boot zu schöpfen, schaute sich nicht um. Die zusätzlichen Wassermassen, die der Spaltfelsen hervorgurgelte, hoben den Spiegel des Schwarzen Flusses bis dicht an die Überflutungshöhe, und das leichte Gefährt vom Erdwurzelsee reiste mit wahrer Unerschrockenheit durch sein Rauschen, das zwischen den düsteren Wällen des Waldes dahinbrauste. Die Morgensonne glitzerte und tanzte auf dem dunklen Wasser und erreichte in diesen Spiegelungen auch Covenants Augen – aber der stierte das Geglitzer an, ohne zu blinzeln, als seien selbst die Reflexe seiner Lider zum Schutze des Augenlichts verlorengegangen. Darüber hinaus belästigte nichts seinen sichtlosen Blick. Das durchnäßte Essen, das Bannor ihm anbot, verzehrte er willenlos, die linke Hand zwischen den Oberschenkeln versteckt. Der Mittag und ebenso der Nachmittag verstrichen, ohne daß er ihnen irgendeine Beachtung schenkte, und auch als der Abend heraufzog, blieb er krumm an seinem Platz hocken, preßte den Ring verdeckt an seine Brust, als beabsichtige er sich vor einem letzten Dolchstoß der Erkenntnis zu schützen.
    Doch dann, als sich ringsumher die abendliche Dämmerung verdichtete, drang ihm das Singen ins Bewußtsein. Die Atmosphäre der Würgerkluft war voller Gesumm, erfüllt von einem stimmlosen Gesang, einer unheimlichen Melodie, die den zarten Kehlen sämtlicher Blätter zu entspringen schien wie eine heftige Gefühlsäußerung. Diese Klänge bildeten einen scharfen Kontrast zum entfernten, stürmischen Getöse im Melenkurion Himmelswehr, das ein Lied der Gewalt sang, zum Einschnitt des Spaltfelsens hinausblies und hinaustrommelte wie mit Pauken und Trompeten. Ganz langsam und bedächtig hob Covenant den Kopf, um zu lauschen. Das Lied der Würgerkluft besaß einen Unterton des Leidens, als unterdrücke sie absichtlich eine potente musikalische Furiosität, um ihn zu schonen.
    Im Licht des Orkrest sah er, daß Bannor das Boot zu einem hohen, von Baumbestand freien Hügel lenkte, der sich nah am Südufer gegen den Nachthimmel abzeichnete. Dieser Hügel machte einen verödeten Eindruck, wirkte jeglichen Lebens beraubt, als sei ihm die Fähigkeit, selbst die zähesten Pflanzen noch zu nähren, unwiderruflich ausgetrieben worden. Doch allem Anschein nach war er der Ursprungsort des Liedes, das die Würgerkluft sang. Die Melodie, die zum Fluß herüberwehte, klang wie ein Schwarm befriedigter Furien.
    Gleichgültig betrachtete Covenant den Hügel. Ihm war nicht genug Kraft geblieben, um sich über irgendwelche Erhebungen in der Landschaft Gedanken zu machen. All seine restliche und obendrein auch gefährdete Geistesklarheit galt dem Kampfeslärm, der aus dem Melenkurion Himmelswehr herübertönte – und dem krampfhaften Klammergriff, mit dem er seinen Ring verbarg. Als Bannor das Boot festmachte und ihn am rechten Ellbogen nahm, um ihn landeinwärts zu führen, stützte sich Covenant ganz einfach auf den Bluthüter und ging steifbeinigen Schritts mit.
    Bannor schlug die Richtung zu dem kahlen Hügel ein. Als sie ihn erreichten, begann Covenant ohne eine einzige Frage hinaufzusteigen. Trotz seiner Erschöpfung kitzelte der Hügel sein Bewußtsein immer mehr hervor. Er konnte die Leblosigkeit unter seinen Füßen spüren, während er aufwärts stapfte, als trample er auf einem Leichnam herum. Doch hier überwog der Eifer zum Töten; die Luft war dick von Gemetzeln an Feinden. Der manifest gewordene Haß ließ Covenants Gelenke beim Klettern schmerzen. Er begann zu schwitzen und zu zittern, als trüge er die Last von Greueln auf seinen Schultern.
    Knapp unterhalb der Hügelkuppe hielt Bannor ihn zurück. Der Bluthüter hob den Orkrest hoch. Im Licht des Steins sah Covenant den Galgen hinter der Hügelkuppe. Ein Riese baumelte daran. Und zwischen Covenant und dem Galgen standen Leute – starrten auf ihn herab, als sei er die leibhaftige
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