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Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Titel: Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
Autoren: Stephen R. Donaldson
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dem Kaffeetisch ausgestreckt, als sei er von seiner Totenbahre gefallen. Mit der linken Hand preßte er irgend etwas, das rücksichtslos schrillte, an sein Ohr. Er drehte den Kopf und entdeckte, daß es sich um den Telefonhörer handelte. Daraus drang das Gellen – das durchdringende Quengeln eines Telefons, dessen Hörer nicht aufliegt. Der Apparat selbst lag ebenfalls auf dem Fußboden, knapp außerhalb von Covenants Reichweite. Ein langer Moment der Benommenheit verstrich, ehe er sich so weit gefaßt hatte, daß er sich fragte, seit wann Joan bereits aufgelegt haben mochte. Mit einem Stöhnen wälzte er sich auf die Seite und schaute hinauf zur Wanduhr. Er konnte die Uhrzeit nicht ablesen; seine Sicht war noch zu unklar. Aber durchs Fenster konnte er das erste Licht einer unerfreulichen Morgendämmerung erkennen; er war die halbe Nacht lang besinnungslos gewesen. Er wollte aufstehen, sackte jedoch wieder zusammen, während verschärfter Schmerz seinen Kopf durchtobte. Er befürchtete, nochmals das Bewußtsein zu verlieren. Doch nach einer Weile ließ der Schmerz nach, verschmolz mit dem nun entfernteren Gequengel des Telefons. Er schaffte es, auf die Knie hochzukommen. In dieser Haltung blieb er vorerst, sah sich in der berechneten, durchdachten Ordentlichkeit seines Wohnzimmers um. Joans Foto und seine Kaffeetasse standen noch auf dem Tisch, wo er sie hingeschoben hatte. Der Aufprall seines Kopfs an die Tischkante hatte nicht einmal den Kaffee verschüttet. Die Vertrautheit seiner gewohnten Umgebung spendete ihm keinen Trost. Sobald er sich auf die gutgeplante Säuberlichkeit des Zimmers zu konzentrieren versuchte, schweifte sein Blick immer wieder zu dem Blut ab, das – schon trocken, fast schwarz – auf dem Teppich eine häßliche Kruste bildete. Der Fleck beeinträchtigte seine Sicherheit wie ein Krebsgeschwür. Um aus seiner Nähe zu gelangen, riß er sich zusammen und stand auf. Der Raum schien sich um ihn zu drehen, als stünde ihm ein schwerer Schwindelanfall bevor, aber er stützte sich auf die gepolsterte Armlehne des Sofas, und nach einem Moment hatte er sein Gleichgewicht im wesentlichen wiedergefunden. So behutsam, als befürchte er, ein Dämon könne aufgeschreckt werden, legte er den Hörer aufs Telefon, seufzte dann auf, als das Schrillen verstummte. In seinem linken Ohr sangen noch Echos. Das Läuten im Ohr beunruhigte sein Gemüt, aber er überhörte es, so gut es ging. Er begann durchs Haus zu streifen wie ein Blinder, arbeitete sich vom einen zum nächsten Halt vorwärts – vom Sofa zum Türrahmen, von dort zum Küchentisch. Danach mußte er mehrere Schritte ohne Stütze tun, um das Bad zu erreichen, aber es gelang ihm, den Abstand zu überwinden, ohne zu fallen. Drinnen lehnte er sich aufs Waschbecken und verschnaufte erst noch einmal. Sobald er wieder bei Atem war, ließ er wie willenlos Wasser einlaufen und wusch sich die Hände – der erste Schritt in seinem Ritual der Reinigung, einem lebenswichtigen Bestandteil seiner Abwehr gegen einen Rückfall. Eine Zeitlang rieb er seine Hände umeinander, ohne den Kopf zu heben. Aber endlich schaute er doch in den Spiegel. Der Anblick seines Gesichts ließ ihn erstarren. Er stierte sich aus wunden Augen der Selbstverstümmlung an und erkannte das Angesicht, das Elena aus Bein geformt hatte. Die Stirn der Büste war ohne Wunde gewesen, aber die Verletzung vervollständigte lediglich das Bildwerk, das sie von ihm geschaffen hatte: er sah einen Schimmer von Bein unter dem verkrusteten Blut, das seine Stirn und die Wangen verdunkelte, rings um seine Augen klebte, sie betonte, ihnen die Schatten einer schrecklichen Besessenheit verlieh. Die Verletzung und das Blut in seinem trostlosen, verhärmten Gesicht gab ihm das Aussehen eines falschen Propheten, eines Verräters selbst an seinen eigenen kühnsten Träumen. Elena! schrie er mit kloßiger Kehle innerlich auf. Was hab ich getan?! Dazu außerstande, den eigenen Anblick zu ertragen, wandte er sich ab und sah sich benommen im Badezimmer um. Im fluoreszenten Licht schimmerten das Porzellan der Badewanne und das verchromte Metall der gefährlichen Armaturen, als hätten sie nicht das entfernteste mit Tränen zu schaffen. Ihre blanke Oberflächlichkeit schien darauf zu bestehen, daß Trauer und Verlust irreal seien, ohne Bedeutung.
    Er starrte sie für lange Zeit an, ermaß ihre Ausdruckslosigkeit. Dann humpelte er aus dem Bad. In grimmigem Vorsatz beharrte er darauf, seine Stirn ungesäubert zu lassen,
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