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Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02

Titel: Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
Autoren: Stephen R. Donaldson
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wieder zu rühren. Quaan und Amorine eilten zu dem dick mit Moos bedeckten Baumstumpf. Kummer erfüllte ihre Mienen. Doch sie hatten zuviel erduldet, während ihrer langen Prüfung zu hart kämpfen müssen. Ihnen war zum Erschrecken oder Aufbegehren keine Kraft geblieben. Amorine starrte den Baumstumpf an, als könne sie nicht begreifen, was geschehen war, und in Quaans alten Augen glitzerten Tränen. »Heil, Streitmark«, rief er; aber seine Stimme klang auf dem Galgenhöcker schwach und dumpf, und daraufhin bewahrte er Schweigen.
    Hinter den beiden sanken Lord Mhoram die Schultern herab. Seine Hände zitterten, als er zum stummen Abschied seinen Stab hob. Lord Callindrill tat das gleiche, und sie standen da, als stützten sie sich gegenseitig. Fassungslos kniete sich Covenant nieder und nahm seinen Ring. Er griff danach wie ein Meßdiener, der seine Stirn zum Boden neigt, und als seine Finger den Reif ertastet hatten, schob er ihn zurück an seinen Ringfinger. Dann versuchte er mit beiden Händen, das Blut aus den Augen zu wischen.
    Während er sich noch damit beschäftigte, dröhnte ein Donnern aus dem Spaltfelsen durch die Luft. Der Berg stöhnte laut auf, als sei er zu Tode getroffen. Die Erschütterung warf Covenant mit dem Gesicht in den Dreck. Schwärze füllte sein sowieso getrübtes Blickfeld aus, als flute sie ihm aus dem trostlosen Hügel zu. Und hinter sich hörte er Druckwellen heulen, als ertöne ein wüstes Triumphgejohle einer ganzen Rotte von Unholden. Ein anhaltendes Beben durchzitterte die Würgerkluft, und anschließend erscholl ein ausgedehntes Knirschen, als bräche die gesamte Klippe des Spaltfelsens zusammen. Ringsum bewegten sich Menschen; Stimmen riefen hin und her. Doch Covenant konnte sie nur undeutlich hören. Ein Tumult betäubte seine Ohren, ein grelles, vielfaches Krakeelen diebischen Vergnügens. Der Lärm kam näher. Er schwoll an und näherte sich, bis er Covenants Trommelfelle überforderte und die Grenzen der physischen Wahrnehmung überschritt, ihm direkt ins Gehirn schrillte. Von da an erreichten andere Stimmen ihn bloß noch verwaschen, beiläufig aufgeschnappt von seinem wie übersteuerten Gehör.
    »Der Spaltfelsen birst«, sagte Bannor. »Eine große Flut wird folgen.«
    »Zumindest eine erfreuliche Sache wird sich daraus ergeben«, meinte Lord Callindrill. »Die Schrathöhlen unterm Donnerberg werden saubergespült.«
    »Schaut!« rief plötzlich Lord Mhoram. »Der Zweifler entschwindet. Der Hoch-Lord ist gefallen.«
    Aber all diese Dinge waren Covenant über; er konnte nicht an ihnen festhalten. Der schwarze Dreck des Galgenhöckers erfüllte seinen Gesichtskreis wie eine Inkarnation der Mitternacht. Und ringsherum, in ihrem Umkreis – ihrem und seinem – stieg das greuliche Jaulen in immer noch schrillere Bereiche empor, schwang durch seinen Schädel, seine Brust und die Gliedmaßen, als zermahle es seine Knochen zu Pulver. Das Heulen überwältigte sein Bewußtsein, und er reagierte auf die Niederlage mit einem Aufschrei, der keinen Laut erzeugte.

27
     

Aussätzig
     
     
    Das Kreischen gellte immer weiter aufwärts, erscholl lauter und dringlicher, forderte immer nachhaltiger; er spürte, wie es die Wälle seiner Begriffswelt zum Einsturz brachte, das Terrain seiner Existenz veränderte. Zum Schluß war ihm, als pralle er auf die Ebene seiner Schwingungen; er schien aus großer Höhe draufzustürzen und auf seiner unerbittlichen Härte zu zerschmettern. Die Wucht des Aufpralls gab ihm einen fürchterlichen Ruck. Als er wieder still dalag, konnte er die Härte kühl unterm Gesicht und seiner Brust spüren.
    Nach und nach bemerkte er, daß die Fläche, auf der er lag, klamm war und klebrig. Sie roch nach geronnenem Blut. Diese Wahrnehmung beförderte ihn über irgendeine Grenze. Er merkte, daß er zwischen dem tonlosen, bitteren, ärgerlichen Heulen außerhalb seines Kopfs und dem unregelmäßigen Schmerz darin nicht recht zu unterscheiden vermochte. Qualvoll mühsam rieb er sich mit einer Hand das verkrustete Blut aus den Augen. Dann öffnete er sie mit nicht weniger Mühe. Seine Umwelt trieb in den Fokus seines Blicks und wirkte wie durch eine stark verschmierte Linse gesehen, aber nach einer Weile konnte er Ausschnitte der Umgebung erkennen, in der er sich befand. Rundum herrschte seelenlose gelbe Helligkeit. Ein Stück von sich entfernt sah er die Beine des Sofas auf dem zum Schutz seiner Person außergewöhnlich dicken Teppich stehen. Er lag auf dem Boden neben
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