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Der siebente Sohn

Der siebente Sohn

Titel: Der siebente Sohn
Autoren: Orson Scott Card
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und nach Hilfe geschickt hättest, wären sie vielleicht alle gestorben.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich hätte sie früher sehen müssen, Altpapi, aber ich bin eingeschlafen.«
    »Und deshalb machst du dir Vorwürfe?« fragte Altpapi.
    »Ich hätte Bloody Mary nicht nach mir picken lassen sollen, dann wäre Vater nicht wütend geworden, und ich wäre nicht im Bachhaus gewesen, dann hätte ich dort nicht geschlafen, und dann hätte ich Hilfe schicken…«
    »So eine Blütenblattkette aus Vorwürfen können wir uns alle machen, Maggie. Das hat überhaupt nichts zu bedeuten.«
    Aber sie wußte, daß es etwas bedeutete. Man machte Blinden keine Vorwürfe, wenn sie einen nicht warnten, daß man im Begriff war, auf eine Schlange zu treten – aber gewiß machte man jemandem Vorwürfe, der gesunde Augen hatte und kein Wort darüber verlor. Sie hatte gewußt, was ihre Pflicht war, seit sie das erste Mal begriffen hatte, daß andere Leuten nicht ebensoviel sehen konnten wie sie. Gott hatte ihr besondere Augen geschenkt, damit sie besser sehen und rechtzeitig Warnung geben konnte, sonst würde der Teufel ihre Seele holen. Der Teufel oder das tief schwarze Meer.
    »Hat überhaupt nichts zu bedeuten«, murmelte Altpapi. Plötzlich richtete er sich ganz gerade auf, als hätte ihn ein Rammbock getroffen, und sagte: »Das Bachhaus! Natürlich, das Bachhaus.«
    Er drückte sie eng an sich. »Hör mir zu, Kleinpeggy. Das war überhaupt nicht deine Schuld, und das ist die Wahrheit. Dasselbe Wasser, das im Hatrack strömt, fließt auch im Hausbach. Dasselbe Wasser, das sie umbringen wollte, wußte daher auch, daß du Warnung geben und um Hilfe schicken konntest. Darum hat es dir etwas vorgesungen und dich eingeschläfert.«
    Dieser Gedanke erschien ihr durchaus einleuchtend. »Wie kann so etwas sein, Altpapi?«
    »Ach, so ist das eben. Das ganze Universum besteht nur aus vier verschiedenen Sorten von Stoffen, Kleinpeggy, und jeder davon will seinen Willen bekommen.«
    Peggy dachte an die vier Farben, die sie sah, wenn die Herzensfeuer glühten, und sie wußte, welche vier das waren, noch bevor Altpapi sie genannt hatte. »Feuer läßt die Dinge heiß und hell werden und verzehrt sie. Luft macht die Dinge kühl und schleicht sich überall herein. Die Erde macht die Dinge fest und dauerhaft, damit sie beständig sind. Aber das Wasser, das reißt die Dinge herunter, es fällt vom Himmel herab und nimmt alles mit, was es kann, trägt es fort und hinunter ins Meer. Wenn es nach dem Wasser ginge, wäre die ganze Welt glatt, einfach nur ein riesiger Ozean, mit nichts, das vor ihm sicher wäre. Deshalb bist du eingeschlafen. Das Wasser wollte diese Fremden mitreißen, wer immer sie sein mögen, wollte sie mitreißen und töten. Es ist ein Wunder, daß du überhaupt wach geworden bist.«
    »Der Hammer des Hufschmieds hat mich aufgeweckt«, sagte Kleinpeggy.
    »Das ist es also, siehst du? Der Hufschmied hat mit Eisen gearbeitet, der härtesten Erde, und mit einem heftigen Luftstoß aus dem Blasebalg und mit einem Feuer, das so heiß ist, daß es das Gras um den Kamin herum verbrennt. Das Wasser konnte ihn nicht berühren, um ihn zum Schweigen zu bringen.«
    Kleinpeggy konnte es kaum glauben, doch genauso mußte es sein. Der Hufschmied hatte sie aus einem feuchtdunklen Schlaf gerissen. Der Schmied hatte ihr geholfen. Ach, das brachte einen ja fast zum Lachen, zu wissen, daß der Hufschmied diesesmal ihr Freund war!
    Auf der Veranda ertönten Rufe, Türen öffneten und schlossen sich. »Ein paar Leute sind schon hier«, sagte Altpapi.
    Kleinpeggy sah die Herzensfeuer dort unten und entdeckte das eine mit der größten Furcht und Pein. »Es ist ihre Mama«, sagte Kleinpeggy. »Sie bekommt gerade ein Kind.«
    »Na, wenn das nicht noch Glück im Unglück ist. Eins verloren, und schon ist wieder ein Baby da, um den Tod durch das Leben zu ersetzen.«
    Altpapi schlurfte hinaus, um sich hinunterzubegeben und zu helfen.
    Kleinpeggy jedoch blieb einfach stehen und schaute sich an, was sie in der Ferne sah. Das verschollene Herzensfeuer war überhaupt nicht verschollen, soviel war sicher. Sie konnte es weit in der Ferne brennen sehen, trotz der ganzen Dunkelheit, mit der der Fluß versuchte, es zu bedecken. Er war gar nicht tot, war nur fortgerissen worden, und vielleicht konnte jemand ihm helfen. Sie rannte hinaus, stürzte eilig an Altpapi vorbei, lief klappernd die Stufen hinunter.
    Mama packte sie am Arm, als sie gerade ins große Zimmer gelaufen
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