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Der siebente Sohn

Der siebente Sohn

Titel: Der siebente Sohn
Autoren: Orson Scott Card
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Niederkunft stand. Doch Faith war keine Närrin – sie wußte, daß es am wichtigsten war, sie in ein Bett und in die Obhut einer kundigen Hebamme zu bringen, statt lange um den heißen Brei herumzureden.
    David und Calm gingen sehr behutsam vor, als sie ihrer Mutter auf den wartenden Wagen halfen. Faith taumelte vor Schmerz. Eleanor schritt direkt hinter ihr, übernahm das Kommando, ganz so, als wäre sie nicht jünger als alle Jungen mit Ausnahme der Zwillinge. »Measure! Ruf die Mädchen zusammen. Sie fahren mit uns im Wagen. Ihr auch, Wastenot und Wantnot! Ich weiß, daß ihr den großen Jungen helfen könnt, aber ich brauche euch, um auf die Mädchen aufzupassen, während ich bei Mutter bin.«
    Mit Eleanor war nie gut Kirschenessen, und die Lage war so ernst, daß die Jungen sie nicht einmal Eleanor von Aquitanien nannten, während sie gehorchten. Sogar die kleinen Mädchen hörten auf zu zanken und stiegen auf.
    Eleanor blieb einen Augenblick am Ufer stehen und sah zu ihrem Vater zurück, der auf dem Wagensitz stand. Sie blickte stromabwärts, dann wieder zu ihm zurück. Alvin verstand die Frage und schüttelte den Kopf. Faith sollte nichts von Vigors Selbstopfer erfahren. Ungebeten traten Alvin die Tränen in die Augen, nicht aber Eleanor. Eleanor war erst vierzehn, aber wenn sie nicht weinen wollte, weinte sie auch nicht.
    Wastenot trieb das Pferd an, und der kleine Wagen setzte sich ruckend in Bewegung, wobei Faith schmerzerfüllt zusammenzuckte, während die Mädchen sie streichelten und der Regen unentwegt herabströmte. Faiths Blick war so ernst wie der einer Kuh und ebenso geistlos, als sie zu ihrem Mann zurückblickte, zurück zum Fluß. In Zeiten des Gebarens, dachte Alvin, wird die Frau zum Tier, erschlafft ihr Geist, während der Körper alles übernimmt und die Arbeit tut. Wie hätte sie sonst den Schmerz ertragen sollen? Als wäre sie von der Seele der Erde besessen und zum Teil des Lebens der ganzen Welt geworden, abgeschirmt von ihrer Familie, ihrem Ehemann, hinuntergeführt in das Tal der Reife, der Ernte und des Mähens und des blutigen Todes.
    »Sie ist jetzt in Sicherheit«, sagte der Hufschmied. »Und wir haben Pferde hier, um euren Wagen herauszuziehen.«
    »Es läßt nach«, sagte Measure. »Der Regen läßt nach, und die Strömung ist auch nicht mehr so stark.«
    »Sobald Eure Frau an Land trat, hat sie nachgelassen«, sagt der Bursche, der wie ein Farmer aussah. »Der Regen erstirbt jetzt, das ist sicher.«
    »Ihr habt das Schlimmste davon im Wasser mitbekommen«, sagte der Hufschmied, »aber jetzt seid ihr gerettet. Reißt Euch zusammen, Mann, es gibt Arbeit.«
    Erst jetzt begriff Alvin, daß er weinte. Es gibt Arbeit, reiß dich zusammen, Alvin Miller. Du bist kein Schwächling, um loszubrüllen wie ein Säugling. Andere Männer haben schon ein Dutzend Kinder verloren und leben noch immer ihr Leben. Du hast zwölf bekommen, und Vigor ist immerhin zu einem Mann herangewachsen, auch wenn er keine Gelegenheit mehr bekommen hat, zu heiraten und eigene Kinder zu haben. Vielleicht mußte Alvin weinen, weil Vigor auf solch edle Weise gestorben war; vielleicht weinte er, weil alles so plötzlich gekommen war.
    David berührte den Hufschmied am Arm. »Laßt ihn einen Augenblick«, sagte er leise. »Es ist keine zehn Minuten her, da wurde unser ältester Bruder fortgerissen. Er hat sich in einem Baum verfangen, der heruntergetrieben kam.«
    »Nicht verfangen«, bemerkte Alvin scharf. »Er ist gegen diesen Baumstamm gesprungen und hat unseren Wagen gerettet und eure Mutter, die in ihm saß! Dieser Fluß hat es ihm heimgezahlt.«
    Ruhig sprach Calm zu den einheimischen Männern. »Es hat ihn dort gegen den Felsen geschlagen.«
    Alle schauten hinüber. Am Gestein aber war nicht einmal mehr eine Blutspur zu erkennen, so unschuldig sah es aus.
    »Der Hatrack ist manchmal sehr bösartig«, sagte der Hufschmied, »aber ich habe diesen Fluß noch nie so aufgewühlt erlebt. Das mit Eurem Jungen tut mir leid. Flußabwärts ist eine ruhige, flache Stelle, wo er mit Sicherheit ans Ufer gespült wird. Alles, was der Fluß mit sich führt, strandet dort. Wenn der Sturm nachläßt, können wir hinuntergehen und die… und ihn zurückbringen.«
    Alvin wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, aber da sein Ärmel klitschnass war, nützte es nicht viel. »Laßt mir noch eine Minute Zeit, dann helfe ich mit«, sagte er.
    Sie schirrten zwei weitere Pferde an, und gemeinsam hatten die vier Tiere keine
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