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Der Sichelmoerder von Zons

Der Sichelmoerder von Zons

Titel: Der Sichelmoerder von Zons
Autoren: Catherine Shepherd
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Erde bewegte sich nicht. Er verlagerte sein Gewicht auf das linke Bein und trat mit dem anderen vorsichtig in den Graben hinein. Der Boden gab nicht nach. Mutiger geworden zog Bastian nun auch das linke Bein nach und stand jetzt mitten in dem langen Graben. Nichts geschah. Er hüpfte ein paar Mal auf und nieder, um zu prüfen, ob der Boden vielleicht doch noch nachgab, aber die Erde war so fest, als wäre hier schon immer ein Graben gewesen.
     
     
    ...
     
     
    Ihm war kalt. Ihm war sogar bitterkalt und das, obwohl es mitten im Sommer war. Er hörte das Wasser von den Mauern tropfen. Tausende von kleinen Wassertröpfchen sammelten sich an der Decke des Gewölbes und bildeten feine Rinnsale, die kreuz und quer an der aus groben Felsbrocken bestehenden Wand hinunterflossen. Sein rasselnder Atem hallte leise an den hohen Mauern des Gewölbes wider. Fast so, als wolle sein Atem nun um Hilfe schreien, denn eine Zunge, die dafür nötig war, hatte er nicht mehr. Das, was davon übrig geblieben war, drohte ihn nun zu ersticken. Es war nicht mehr als ein angeschwollener, nach metallischem Blut schmeckender, großer Knoten, der sich in seinem Rachen festgesetzt hatte. Anfangs hatte er noch versucht, sich zu befreien. Doch die Nägel, die überall aus dem Stuhl - auf dem er gefesselt war - herausragten, hatten sich tief in sein Fleisch gebohrt. Schon die kleinste Gewichtsverlagerung verursachte ihm höllische Schmerzen und so hatte er sich damit abgefunden, möglichst bewegungslos in dieser kalten Dunkelheit zu verharren. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Die schnatternden Gedanken in seinem Kopf kreisten zwischen Hoffnung und Grauen hin und her. Sie versuchten einen Ausweg aus diesem Albtraum zu finden. Doch jeder Gedanke endete jäh mit der gleichen Erkenntnis: Er würde diesen dunklen, kalten und feuchten Raum nicht mehr lebend verlassen! Ein Ton, wie ein gequälter Schrei, drang aus seinem geschwollenen Hals hervor. Aus seinen Augen flossen die Tränen. Doch niemand konnte ihn hören und so blieb er weiter dort unten sitzen, alleine mit seinem Schmerz und der Angst, die unbarmherzig sein einziger Begleiter in diesem Albtraum war. Zumindest solange, bis sein Peiniger wieder aus der Dunkelheit auftauchen würde.
     
     
    ...
     
     
    Bastian tastete sich vorsichtig, Schritt für Schritt, weiter voran. Komisch, wie konnte innerhalb von ein paar Sekunden nur so ein langgezogener, flacher Graben entstehen? Er hielt sich die Hand an die Stirn, um seine Augen vor dem gleißenden Sonnenlicht dieses heißen Sommertages zu schützen. Seine braunen Augen waren zu engen Schlitzen zusammengezogen und mit angestrengter Miene versuchte Bastian, die Länge des Grabens abzuschätzen. Er war sicher noch mindestens fünfhundert Meter vom eingestürzten Wehrturm entfernt. Eine kleine Menschentraube hatte sich am Fuße des Wehrturms gebildet. Er konnte ihr erstauntes Raunen von Weitem hören. Merkwürdig wieso waren sie alle ausgerechnet zu diesem eingestürzten Turm gelaufen? Bei den mächtigen Erschütterungen, die Bastian gerade noch gespürt hatte, mussten doch auch hinter der dicken Zonser Stadtmauer Häuser eingestürzt sein. Die Mauer des Wehrturms war solide aus großen Felsbrocken gebaut, während viele der kleinen Häuschen in Zons aus wesentlich leichterem Gestein errichtet waren. Dies war sicherlich nicht zuletzt auf den schmalen Geldbeutel einiger Zonser Bewohner zurückzuführen. Bastian erinnerte sich an das letzte Erdbeben, welches vor ungefähr drei Jahren, fünf Häuser zum Einsturz gebracht hatte. Es waren etliche kleinere Nachbeben aufgetreten und Bastian konnte sich noch gut daran entsinnen, wie die Erde minutenlang bebte, bis endlich wieder Stille eintrat. Die ängstlichen Bewohner betraten - obwohl es mitten im Winter war - ihre Steinhäuser nicht mehr und verbrachten trotz der klirrenden Kälte die Nächte in provisorischen Strohhütten unter freiem Himmel.
    Doch diesmal war es anders. Dies hier war kein Erdbeben! Bastian warf einen letzten, prüfenden Blick in den Graben und begann schneller zu laufen. Den festen und harten Boden konnte er mit jedem Schritt unter seinen Füßen spüren. Der Graben verlief unnatürlich gleichförmig und ziemlich gerade. Zwanzig Meter vor dem Wehrturm hörte er plötzlich auf. So wie er etwa fünfhundert Meter zuvor aus dem Nichts vor Bastians Füßen aufgetaucht war, endete er hier einfach so. Eine gerade Kante bildete den Abschluss. Keiner der umstehenden Menschen, die den
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