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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin
Autoren: Agatha Christie
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Einfälle.«
    Den Kopf in trüber Vorahnung schüttelnd, bewegte Lady Laura sich majestätisch die Treppe hinauf.
    Nach dem Abschied der Damen wurden die Sessel näher an die lodernden Holzscheite gerückt, die in dem großen offenen Kamin brannten.
    »Sagen Sie halt«, sagte der gastfreundliche Evesham, der die Whiskykaraffe in der Hand hielt.
    Als alle halt gesagt hatten, kehrte die Unterhaltung zu jenem Thema zurück, das vorhin verboten gewesen war.
    »Sie kannten doch Derek Capel, nicht wahr, Sattersway?«, fragte Conway.
    »Ja… flüchtig.«
    »Und Sie, Portal?«
    »Nein, ich habe ihn nie kennen gelernt.«
    Er sagte es so heftig und abwehrend, dass Mr Sattersway überrascht aufblickte.
    »Ich hasse es, wenn Laura dieses Thema zur Sprache bringt«, sagte Evesham langsam. »Nach der Tragödie wurde dieses Haus an einen Großindustriellen verkauft. Nach einem Jahr zog der Mann wieder aus – irgendwie war er nicht zufrieden gewesen. Eine Menge Gerüchte liefen um, dass es in dem Haus spuke, und auf diese Weise kam es in einen schlechten Ruf. Als Laura mich dazu gebracht hatte, mich als Kandidat für West Kidleby aufstellen zu lassen, bedeutete das natürlich, dass wir auch in dieser Gegend wohnen mussten, und es war gar nicht einfach, ein passendes Haus zu finden. Royston wurde billig angeboten, und – na ja, dann habe ich es eben gekauft. Gespenster sind Unsinn – aber trotzdem möchte man nicht gern daran erinnert werden, dass man in einem Haus wohnt, in dem sich ein Freund erschossen hat. Der arme Derek… Wir werden wohl nie erfahren, warum er es getan hat.«
    »Er wird weder der Erste noch der Letzte gewesen sein, der sich erschossen hat, ohne dass man den Grund kennt«, sagte Alex Portal heftig. Er erhob sich und goss sein Glas wieder voll; dabei verschüttete er etwas Whisky.
    Irgendetwas stimmt mit ihm nicht, sagte sich Mr Sattersway. Das ist einmal ganz klar. Wenn ich nur wüsste, worum es sich handelt.
    »Mein Gott!«, sagte Conway »Hören Sie nur den Wind! Das gibt eine hübsche Nacht.«
    »Eine Nacht, in der Gespenster besonders gern spuken«, sagte Portal und lachte herausfordernd auf.
    »Sämtliche Teufel sind jetzt unterwegs.«
    »Nach Lady Lauras Ansicht würde uns selbst der schwärzeste noch Glück bringen«, bemerkte Conway lachend. »Vergessen Sie das nicht!«
    Der Wind schwoll zu einem neuerlichen Aufheulen an, und als er erstarb, klopfte es dreimal laut an die große Tür. Alle fuhren zusammen.
    »Wer, um Himmels willen, kann das sein – um diese Zeit?«, rief Evesham.
    Sie sahen sich an.
    »Ich werde aufmachen«, sagte Evesham. »Die Dienstboten sind schon zu Bett gegangen.«
    Er ging langsam durch die Halle, machte sich an den schweren Riegeln zu schaffen und riss die Tür schließlich auf. Ein eisiger Windstoß fegte in die Halle.
    Im Rahmen der Tür stand die Gestalt eines Mannes: groß und schlank. Nach Meinung des aufmerksam zusehenden Mr Sattersway hatte das bunte Glas über der Tür die sonderbare Wirkung, dass es so aussah, als trüge der Mann einen Mantel, der in sämtlichen Regenbogenfarben schillerte. Als er in die Halle trat, zeigte es sich jedoch, dass es sich um einen hageren dunkelhaarigen Mann handelte, der einen Mantel trug.
    »Ich muss für mein Eindringen tausendmal um Entschuldigung bitten«, sagte der Fremde mit einer angenehmen Stimme. »Mein Wagen hat gestreikt. Nichts Schlimmes – mein Chauffeur bringt die Sache wieder in Ordnung, aber eine halbe Stunde dürfte es ungefähr dauern, und draußen ist es verdammt kalt…«
    Er verstummte, und Evesham griff den Faden auf.
    »Das kann ich mir vorstellen. Kommen Sie herein und wärmen Sie sich mit einem Schluck wieder auf. Können wir Ihnen irgendwie behilflich sein?«
    »Nein, danke. Mein Chauffeur kommt schon zurecht. Übrigens: Mein Name ist Quin – Harley Quin.«
    »Nehmen Sie Platz, Mr Quin«, sagte Evesham. »Das ist Sir Richard Conway, das dort ist Mr Sattersway, und ich heiße Evesham.«
    Mr Quin verneigte sich flüchtig und ließ sich dann in den Sessel fallen, den Evesham ihm gastfreundlich hingeschoben hatte. Als er saß, warf der Schein des Kaminfeuers einen streifigen Schatten auf sein Gesicht, sodass es beinahe wie eine Maske wirkte.
    Evesham legte noch ein paar Scheite nach.
    »Wie war’s mit einem Glas?«
    »Danke, gern.«
    Evesham reichte es ihm und fragte dabei: »Sie kennen sich also in diesem Winkel der Welt gut aus, Mr Quin?«
    »Vor einigen Jahren bin ich einmal hier
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