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Der seltsame Mr Quin

Der seltsame Mr Quin

Titel: Der seltsame Mr Quin
Autoren: Agatha Christie
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allem, was sich unten abspielte. Und sie hockte dort so reglos, dass er dem Beweis seiner eigenen Augen kaum traute.
    Das Stoffmuster des Kleides erkannte er jedoch mit Leichtigkeit; es war kostbarer alter Brokat. Und die Frau war Eleanor Portal.
    Und plötzlich schienen alle Ereignisse dieses Abends genau zusammenzupassen; auch Mr Quins Eintreffen war kein bloßer Zufall, sondern der Auftritt eines Schauspielers, dessen Stichwort gefallen war. In der großen Halle von Royston wurde ein Drama gespielt – und es war dadurch, dass einer der Schauspieler bereits tot war, keineswegs unwirklicher. O ja, auch Derek Capel hatte eine Rolle; davon war Mr Sattersway fest überzeugt.
    Und, wieder ganz plötzlich, kam ihm eine neue Erleuchtung. Das alles ging auf Mr Quin zurück. Er war es, der die Szenerie ausgesucht hatte, der den Schauspielern das Stichwort gab. Er befand sich im Mittelpunkt des Geheimnisses, zog an den Schnüren und ließ die Marionetten sich bewegen. Er wusste alles – auch, dass jene Frau sich dort oben an das Geländer drückte. Ja, er wusste es!
    Nachdem Mr Sattersway sich zurückgelehnt und wieder die Rolle des Zuhörers übernommen hatte, schaute er dem Drama zu, das vor seinen Augen abrollte. Ruhig und selbstverständlich zog Mr Quin an den Schnüren und setzte seine Marionetten in Bewegung.
    »Eine Frau – ja«, murmelte er nachdenklich. »Wurde während des Abendessens auch eine Frau erwähnt?«
    »Natürlich wurde eine erwähnt«, rief Evesham. »Er gab seine Verlobung bekannt. Gerade das war der Grund, dass alles so vollkommen wahnsinnig zu sein schien. Ziemlich aus dem Häuschen war er darüber. Er sagte noch, es solle nicht weiter bekanntwerden, aber er deutete doch an, dass er auf dem besten Wege sei, Ehemann zu werden.«
    »Natürlich haben wir alle geahnt, um welche Dame es sich dabei handelte«, sagte Conway. »Nämlich um Marjorie Dilke. Ein nettes Mädchen übrigens.«
    Jetzt schien Mr Quin wieder an der Reihe zu sein, etwas zu sagen; aber das tat er nicht, und irgendetwas an seinem Schweigen wirkte seltsam aufreizend. Es war, als bezweifelte er die letzte Feststellung. Und die Folge war, dass Conway das Gefühl hatte, sich verteidigen zu müssen.
    »Wer hätte es denn sonst sein sollen? Was, Evesham?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Tom Evesham langsam. »Was hat er damals eigentlich genau gesagt? Irgendetwas in dem Sinne, dass er auf dem besten Wege sei, Ehemann zu werden, dass er uns den Namen der Dame erst nennen könne, wenn sie es erlaubt habe, und dass es auch noch nicht bekanntwerden solle. Er sagte, wenn ich mich recht erinnere, dass er ein verdammt glücklicher Mann sei, dass seine beiden alten Freunde wissen sollten, dass er übers Jahr ein glücklich verheirateter Mann sei. Natürlich nahmen wir an, dass Marjorie damit gemeint war. Die beiden waren eng befreundet, und er war oft mit ihr zusammen gewesen.«
    »Das Einzige…«, fing Conway an und verstummte sofort wieder.
    »Was wolltest du sagen, Dick?«
    »Ich meine bloß, dass es in gewisser Weise komisch gewesen wäre, wenn es sich um Marjorie gehandelt hätte – dass er die Verlobung nicht bekannt geben wollte. Warum die Geheimnistuerei, frage ich mich? Es klingt doch mehr danach, als hätte es sich um eine verheiratete Frau gehandelt – verstehst du: Um jemanden, deren Mann gerade erst gestorben war oder die sich erst scheiden lassen wollte.«
    »Das stimmt«, sagte Evesham. »Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte er die Verlobung natürlich nicht sofort bekannt geben können. Wenn ich zurückdenke, glaube ich gar nicht mal, dass er mit Marjorie so oft zusammen war. Das alles war ein Jahr vorher. Ich erinnere mich noch, dass ich der Meinung war, dass das Verhältnis der beiden etwas abgekühlt war.«
    »Seltsam«, sagte Mr Quin.
    »Ja… es sah fast so aus, als hätte sich irgendjemand zwischen die beiden geschoben.«
    »Eine andere Frau«, bemerkte Conway nachdenklich.
    »Mein Gott!«, sagte Evesham. »Weißt du noch, dass der alte Derek an jenem Abend fast etwas unanständig vergnügt wirkte? Wie betrunken vor Glück sah er aus. Und trotzdem… ich kann nicht genau erklären, was ich meine… sonderbar trotzig wirkte er auch.«
    »Wie ein Mensch, der das Schicksal herausfordert«, sagte Alex Portal heftig.
    Meinte er damit Derek Capel – oder etwa sich selbst? Mr Sattersway, der ihn ansah, neigte eher zu der zweiten Ansicht, denn genau das war es, was Alex Portal darstellte – einen Menschen, der das
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