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Der Seelenfänger (German Edition)

Der Seelenfänger (German Edition)

Titel: Der Seelenfänger (German Edition)
Autoren: Chris Moriarty
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sagte Beka. »Ich habe keinen Hunger, außerdem muss ich noch meine Hausaufgaben machen.«
    Mutter Kessler sah ihrer Tochter argwöhnisch hinterher und berührte das kleine silberne Medaillon, das sie an einer Kette um den Hals trug. »So verschwiegen«, murmelte sie. »Man könnte glauben, dass … nun gut. Aus den jungen Mädchen von heute wird man nicht schlau.«
    Was sich Beka wünschte, würde wohl ihr Geheimnis bleiben, hingegen war klar, was sich die Mädchen vor Mrs Lasskys Bäckerladen von Herzen wünschten. Das große Ladenschild in Englisch lautete LASSKY & TÖCHTER ; KOSCHERE BACKWAREN. Doch das englische Ladenschild hing nur da, um die Polizei zu täuschen. Und da es bisher keinen jüdischen Inquisitor bei der New Yorker Polizei gab, machten die auf Jiddisch und in hebräischen Buchstaben ans Schaufenster geschriebenen Angebote keinen Hehl daraus, was es drinnen wirklich zu kaufen gab.
    Das müssen Sie probieren!
    Mit unseren leckeren 100 % wirksamen Knischess
    kommt jedes Mädchen binnen Jahresfrist unter die Haube
    (bei hartnäckigen Fällen mehrmals verabreichen).
    Schluss mit »Oh weiowei«, jetzt heißt es »mein Oytser!«
     
    Ein Bissen von unserem
    mysteriösen monogamen Marzipan
    macht ihren Mann treu wie Gold!
     
    Sind Sie es leid, weiter auf ihre Entscheidung zu warten?
    Gönnen Sie sich einen Schwiegermutterpuffer aus unserem Haus!
    Sie suchen sich den passenden Schwiegersohn aus,
    wir kümmern uns um alles andere!
    Sascha hatte nie ganz verstanden, warum Zauberei in Amerika nicht erlaubt war. Er kannte das Verbot und wusste, dass sich seine Mutter und praktisch jede jüdische Mutter in der Hester Street leichten Herzens darüber hinwegsetzten, sobald rechtschaffene Ehemänner und Väter weit genug entfernt waren. Zum Glück brauchte sich Sascha keine Sorgen zu machen, hatte er doch während der Vorbereitung auf seine
Bar-Mizwa
nicht ein Quäntchen Zaubertalent gezeigt, und darüber war er mehr als froh.
    In Mrs Lasskys Laden knisterte die Luft vor Magie. Wie Sardinen in der Büchse drängten sich die Kunden. Die einen riefen Bestellungen, die anderen wollten zahlen, und alle redeten aufeinander ein, als ob ab morgen auch Tratsch verboten würde. Hinter der Theke flitzten die mehlbestäubten Lassky-Zwillinge hin und her. Mrs Lassky thronte an der Kasse und nahm Geld, Komplimente und gelegentliche Beschwerden entgegen.
    »Steht auf dem Schild irgendwo etwas von einem perfekten Ehegatten?«, sagte sie gerade, als Sascha mit seiner Mutter endlich in der ersten Reihe stand. »Einen perfekten Schwiegersohn kann ich liefern. Aber einen perfekten Gatten? So etwas gibt es doch gar nicht!«
    Die anderen Frauen in der Schlange schalteten sich nun ebenfalls ein.
    »Recht hat sie,
Bubele
. Zeig mir eine Frau mit einem idealen Gatten und ich zeige dir eine Witwe!«
    »Mumpitz! Glaube mir, Süßer. Wenn einer nach zehn Uhr morgens noch nicht betrunken ist, dann ist er ein Mustergatte!«
    Als Mrs Lassky Sascha erblickte, beugte sie sich über die Theke zu ihm hinab und kniff ihm in beide Wangen. »Du wirst mal so ein schmucker Kerl wie dein Onkel Mordechai. Aber schmächtig bist du, dagegen müssen wir was tun. Wie wäre es mit einer ofenwarmen
Challah
? Na, du wirst später mal Erfolg bei den Frauen haben.« Und zur Sicherheit kniff sie ihm noch einmal in die Wangen.
    »Süßer Fratz!«
    »Nein, danke«, erwiderte der vor Zorn errötete Sascha und wischte sich Mehl aus dem Gesicht. »Nur ein
Rugelach
, das ist alles.«
    »Gut, aber falls du es dir anders überlegst, denk daran, dass ich zwei reizende Töchter habe.«
    »Da wir gerade von Töchtern reden«, schaltete sich Saschas Mutter ein, »ich nehme so einen Schwiegermutterpuffer.«
    »Oh, Ruthie, Sie brauchen sich keine Sorgen machen. Ihre Beka ist das hübscheste Mädchen in der ganzen Hester Street.«
    »Kein ayn horah«,
murmelte Mrs Kessler und machte das Zeichen gegen den bösen Blick. »Außerdem ist sie störrisch wie ein Maultier. Sie sollten mal hören, was für verrückte Ideen sie in der Abendschule aufgeschnappt hat!« Mrs Kessler sagte das in einem Ton, als könnte man sich Ideen wie Kopfläuse holen. »Wissen Sie, was sie mir neulich gesagt hat? Die Ehe sei nur eine bürgerliche Konvention. Ich hätte laut schreien können!«
    »Mit bürgerlichen Konfektionen kenne ich mich nicht aus«, sagte Mrs Lassky, »aber dafür mit Schwiegersöhnen. Los, Mädchen, bringt mir die Puffer, damit ich einen extra für Mrs Kessler bespreche!«
    Saschas
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