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Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
Autoren: Susan Hill
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auf und trat ans Fenster. Ihm fiel ein, wie er von der anderen Seite aus mit Max Jameson gesprochen hatte. Die Büsche waren zurückgeschnitten worden, so dass er das Licht aus dem Haus des Kantors sehen konnte, das in den Garten schien.
    »Ich möchte Sie öfter sehen. Ich möchte, dass Sie hierbleiben.«
    Sie lachte. Es war ein leichtes Lachen, nicht unfreundlich, nicht spöttisch. Aber sie lachte, bevor sie sprach. »Sie kennen mich doch gar nicht, Simon. Wir haben ja kaum miteinander zu tun gehabt.«
    »Ich möchte Sie kennenlernen. Deswegen bin ich hergekommen, um mit Ihnen auszugehen. Heute ist es besser, hier zu sein. Aber beim nächsten Mal gehen wir aus.«
    »Nein. Kein nächstes Mal. Vielen Dank. Ich fühle mich geschmeichelt und habe Ihre Gesellschaft wirklich genossen. Es war ein Abend, an dem wir beide nicht hätten allein sein sollen. Aber damit muss es genug sein.« Sie stand auf, kam zum Fenster und stellte sich neben ihn, berührte seinen Arm. »Wir hätten gute Freunde sein können, Simon, hätten zusammenarbeiten können. All so was. Ich bin sehr froh, dass Sie heute Abend zu mir gekommen sind. Aber jetzt sollten Sie gehen.«
    Das Blut schien nicht durch seine Adern zu fließen. Die Nacht war warm, und ihm war kalt.
    »Simon?«
    »Warum stößt Sie die Vorstellung so ab – öfter mit mir zusammenzusein?«
    »Weil ich die falsche Person bin. Das müssen Sie mir glauben.«
    »Ich kann nicht, ich muss wissen, warum.«
    »Ich will niemanden. Wollte es nie. Ich habe … andere Dinge.«
    »Um Himmels willen, Jane, verschwenden Sie sich nicht, wie können Sie nur daran denken?«
    »Ich habe nicht daran gedacht. Ich werde nicht in Lafferton bleiben, aus all den Gründen, die ich Ihnen genannt habe, von denen keiner etwas mit Ihnen zu tun hat. Wie könnten sie mit Ihnen zu tun haben, Sie sind ja praktisch ein Fremder. Ich bleibe nicht hier, es hätte keinen Zweck. Ich will Sie nicht täuschen, Simon. Das wäre falsch. Sie sind ein netter Mann.«
    »Warum klingt das wie etwas, das ich nicht sein möchte?«
    Sie lächelte. »Sie verdienen die richtige Person, und das kann nicht ich sein. Es geht einfach nicht, und ich bin nicht bereit, das noch näher zu erläutern.«

    Als er durch den Garten zurück zum Kathedralenhof ging, war es fast so warm wie mitten am Tag. Die Luft stand beinahe still. Simon wandte sich nicht nach links zu seinem Hofende, sondern bog nach rechts und durch das Tor in das Gewirr der Kopfsteinpflasterstraßen, die zum Marktplatz führten. Menschen waren unterwegs, saßen auf Bänken, kamen aus den Pubs, aßen noch spät in den beiden chinesischen und thailändischen Restaurants. Er sah zwei junge Männer und eine Frau, die auf der Straße torkelten, ziemlich betrunken, aber bisher noch friedlich. Eine Familie kam vorbei, mit einem Kleinkind auf den Schultern des Vaters und einem Jungen, der um dessen Füße herumhüpfte. Simon erinnerte sich an solche Nächte, wenn es zu heiß zum Schlafen war und er sich stundenlang aus seinem Fenster lehnte, die Nachtgerüche einsog und mit seinem Bruder flüsterte. Niemand wäre je auf die Idee gekommen, sie mit rauszunehmen, damit sie die spätnächtliche Stadt genießen konnten. Er lächelte bei dem Gedanken und empfand einen plötzlichen, stechenden Schmerz über den Verlust seiner Mutter. Verlust. Er hatte das Gefühl, nie gewinnen zu können. Er wusste, dass er rührselig war, doch das war ihm völlig gleich und half ihm auch nicht aus dem tiefen Loch des Selbstmitleids, in das Jane Fitzroys Reaktion ihn gestoßen hatte. Er war ebenfalls wütend, aber nicht auf sie, nur auf sich selbst, weil er ein solcher Narr gewesen war.
    Er erreichte den Teil der Stadt, wo die Läden und Pubs und Cafés in Wohnstraßen übergingen. Die Altstadt. Das rechtwinklig angelegte Straßennetz, das die Apostel genannt wurde. Dahinter lag der Hügel. Hinter dem Hügel die breiteren Straßen der wohlhabenderen Vororte Laffertons. Sorrel Drive. Und so weiter, zur Umgehungsstraße und der Bevham Road, zu anderen Wegen hinaus aufs Land, zu dem Dorf seiner Schwester, zu dem seiner Eltern – seines Vaters, verbesserte er sich, jetzt nur noch seines Vaters. Weiter nach Osten, und man erreichte Starly Tor und dann Starly, Heim eines beachtlichen Haufens von New-Age-Therapeuten, angeblich durchzogen von Kraftlinien.
    Er machte kehrt. Er hatte diesen Ort immer geliebt, kannte ihn besser, als er sich kannte. Aber der Ort veränderte sich. Eine Gruppe Mädchen im
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